„Hirse anschalten!“

von Redaktion

Gosens-Appell: Psychische Erkrankungen „keine Lappalien“

Studiert und interessiert: Gosens setzt sich für mentale Gesundheit ein. © imago

Hobby-Winzer: DFB-Kicker Gosens. © Herbstmeister

München – Nationalspieler Robin Gosens ist neuerdings auch als Winzer tätig und hat gemeinsam mit den früheren DFB-Kickern Mats Hummels und Chris Kramer einen Wein mit dem Namen „Herbstmeister“ herausgebracht. Das der Linksverteidiger vom AC Florenz ein Fußballer ist, der über den Tellerrand hinausblickt, beweist auch sein Psychologie-Studium an der SRH Fernhochschule, das er im März 2023 als Bachelor of Science abgeschlossen hat. Gosens hat sich dabei auf „Klinische Psychologie“ und „Rehabilitationspsychologie“ spezialisiert.

Auch deshalb setzt sich der zweifache Familienvater immer wieder für mentale Gesundheit ein und macht auch keinen Hehl daraus, dass er selbst regelmäßig zum Psychologen geht: „Dieses Thema ist unfassbar wichtig. Und ich bin der Meinung, dass es nach wie vor einen zu geringen Stellenwert im Profi-Fußball hat und auch in der gesamten Gesellschaft mit zu vielen Stigmata behaftet ist.“ Gosens appelliert, dass man psychische Erkrankungen ernst nehmen müsse: „Das ist keine Lappalie. Wir müssen als Gesellschaft dahinkommen, dass es normal ist, darüber zu sprechen.“

Wegen seines Psychologie-Studiums verspüre der DFB-Kicker die Verantwortung, in seiner Vorbild-Funktion auf dieses Thema aufmerksam zu machen: „Es ist mutig, wenn man sich öffnet und keine Schwäche, wenn man damit nach außen geht. Und dann sollte man nicht auf Hass und Abstoßung treffen, sondern auf eine Umarmung der Gesellschaft.“

Auch zum Thema Hass-Kommentare im Internet hat der 30-Jährige eine klare Meinung: „Das ist Gift obendrauf! Wir haben alle tagtäglich mit diesen Kommentaren zu tun. Die Anonymität des Internets wird leider Gottes sehr oft missbraucht.“ Dabei werde oft vergessen, dass hinter dem Fußballer auch noch ein Mensch stecke, „der Gefühle hat und vielleicht daran zerbricht. Dem es auch sehr nahe geht, wenn man ihm den Tod wünscht oder der Familie den Tod wünscht.“

Laut Gosens seien solche Dinge die absolute, ungefilterte Wahrheit. Es komme dann ja immer dieses Todschlag-Argument, Fußballer würden so viel Geld verdienen und müssten alles akzeptieren: „Solange wir trotzdem nicht rauszoomen und den Menschen hinter dem Fußballer sehen, kommen wir als Gesellschaft nicht weiter.“ Daher sollte sich jeder, der solche Kommentare absetze, Gedanken machen, was das auslösen könnte: „Konstruktive Kritik ist gut und wichtig, um als Mensch und Spieler zu wachsen. Aber es geht um die Art und Weise, wie man etwas äußert. Von daher kann ich nur appellieren, dass wir kurz nachdenken und unsere Hirse anschalten, bevor man solche Kommentare in die Welt setzt.“

Der Linksverteidiger hat kein Problem damit, offen mit Rückschlägen umzugehen – wie etwa seine Nicht-Nominierung für die Heim-EM. Für ihn sei „eine Welt zusammengebrochen“. Er hatte zwar eine Vorahnung, „doch ich bin ein Träumer und klammere mich an meinen Träumen fest“. Vergeblich. Sein neues Ziel: die WM 2026.
M. BONKE, P. KESSLER

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