„Jetzt Skifahren – und mal ein Bier“

von Redaktion

Dauser über das Leben nach dem Turnen, Hambüchen und kurze Nächte

Ein letzter Auftritt: Dauser beim Swiss Cup am vergangenen Wochenende. © IMAGO/Sergio Brunetti

Ab jetzt mehr glücklicher Familienpapa als Profi-Turner: Lukas Dauser mit Ehefrau Viktoria und Söhnchen Willi. © Instagram/Daerus

Traum geplatzt: In Paris gelang dem angeschlagenen Dauser keine fehlerfreie Übung. © IMAGO/Jack Gruber

München – Keine Woche ist es her, dass Lukas Dauser beim „Swiss Cup“ in Zürich das letzte Mal das Turn-Trikot mit dem deutschen Adler getragen hat. Im Interview mit unserer Zeitung wagt der 31-Jährige einen Blick vor und zurück: Als „Turner im Ruhestand“, frisch gebackener Papa – und junger Mann, dem die Welt abseits der Turnhalle offensteht.

Herr Dauser, bei jungen Vätern erst mal die wichtigste Frage: Wie war die Nacht?

(lacht) Die letzte tatsächlich nicht so gut. Aber wenn einen der Kleine in der Früh angrinst, ist der Schlafmangel schon vergessen.

Hat sich nach Ihrem letzten internationalen Wettkampf in Ihrem Kopf etwas verändert?

Es fällt schon etwas ab, ich sage ganz ehrlich: Es tut auch ganz gut zu wissen, es ist jetzt vorbei. Natürlich war im an dem Tag Wehmut dabei, es war emotional, ein letztes Mal das Deutschland-Trikot zu tragen, mit meinem Trainer einzumarschieren. Es fühlt sich aber jetzt gut an.

Was kommt jetzt?

Ich habe mir vorgenommen, runterzukommen. Aktuell ist das schwer, weil ich noch in der Bundesliga turne, mein Studium vorantreibe, frisch gebackener Papa bin. Aber ich möchte mir das nächste Jahr bewusst gönnen, um die Zeit mit der Familie zu genießen. Außerdem überlege ich, noch ein Jahr Bundesliga dran zu hängen. Für mich und meinen Körper ist es nicht gut, von 100 auf null zu fahren.

Haben Sie keine Angst vor dem klassischen Loch?

Ich habe schon Respekt vor der nächsten Zeit! Mein Leben bestand in den letzten 25 Jahren aus Turnen, das bricht jetzt weg. Aber ich habe ein stabiles Umfeld. Dass außerdem aus dem „in die Turnhalle müssen“ ein „in die Turnhalle können“ wird, stelle ich mir gut vor.

Schauen Sie lieber zurück oder nach vorne?

In meinem Leben war bisher noch nie Zeit zurückzuschauen. Ich weiß gar nicht, wie das geht (lacht).

Versuchen wir es mal: 25 Jahre Hochleistungssport in drei Worten, bitte!

Die perfekte Vorbereitung auf das Leben danach: Spaß. Leidenschaft. Erfüllung. Ich habe mein Hobby zum Beruf gemacht.

… und viel erreicht! Überwiegt am Ende dennoch das schlechte Gefühl, weil es mit dem Olympiasieg in Paris nicht geklappt hat?

Nein, es überwiegt das gute – obwohl ich weiß, dass Paris mich ewig wurmen wird. Aber das ist auch in Ordnung, weil mir die Niederlagen in meiner Karriere mehr gebracht haben als die Erfolge. Ob es mein Absturz bei der Heim-WM in Stuttgart war, die eine oder andere Verletzung: Misserfolg hat mich immer dazu gebracht, alles zu überdenken. So habe ich an den richtigen Stellschrauben gedreht – und mehr erreicht, als ich mir je hätte erträumen können.

Von wem haben Sie auf Ihrem Weg am meisten gelernt?

Jeder meiner Trainer kam zum richtigen Zeitpunkt. Aber wenn ich zwei herausheben soll, dann den ersten und den letzten. Von meinem ersten Trainer Kurt Szilier habe ich das Turnen lieben gelernt. Hubert Brylok hat dann aus einem fast kompletten Turner einen Weltklasse-Turner gemacht.

Wer hat Sie inspiriert?

Fabi (Hambüchen/d.Red.), weil er seit seinem Karriereende 2017 ein Mentor für mich war bzw. ist. Und meine Mutter. Weil sie es immer geschafft hat, die Familie in den Vordergrund zu stellen. Das hat mir immer viel Halt und Kraft gegeben.

Auch Sie haben vielen Turnern als Vorbild gedient. Ist die Lücke, die Sie im deutschen Turnen hinterlassen, überhaupt zu füllen?

In naher Zukunft wird es schwer, an die Erfolge anzuknüpfen, da müssen wir uns nichts vormachen. Es bedarf schon eines kleinen Umbruchs, das kann vier bis acht Jahre dauern. Aber alles Neue ist auch immer eine Chance. Vielleicht geht es bei dem einen oder anderen überraschend schnell.

In welcher Rolle können Sie den Umbruch unterstützen?

Ich kriege nach wie vor Nachrichten, erst gestern wieder. Da hat mich ein ehemaliger Kollege gefragt, wie er ein Element am Barren angehen soll. Ich freue mich, wenn meine Expertise gefragt ist. Die Traineraufgabe ist aber nicht unbedingt die, die ich präferiere. Ich stehe seit 25 Jahren jeden Tag in der Turnhalle, hauptberuflich möchte ich das nicht noch mal 25 Jahre lang machen. Aber ich will im Sport bleiben, am liebsten auch im Turnen.

Ab wann darf Willi turnen?

Der turnt jetzt schon (lacht)! Und ich werde ihn auf jeden Fall mit in die Turnhalle nehmen. Ob er dann in Richtung Leistungsturnen geht, muss er selbst entscheiden. Ich werde ihm keine Steine in den Weg legen, aber ihn auch nicht dazu drängen. Die Grundausbildung aus dem Turnen aber wird ihm helfen. Man lernt Disziplin, und koordinativ ist Turnen die beste Basis für alle anderen Sportarten.

Kann man als Papa einem Kind überhaupt dazu raten, in einer Randsportart in Deutschland seinen Weg zu suchen?

Wenn er mit Leidenschaft dabei ist, natürlich. Aber ich habe gelernt, sich nicht an einem bestimmten Ziel festzubeißen. Für das, was der Sport einem gibt, lohnt es sich, auch viel aufzugeben. Ich habe Tugenden gelernt, die in der heutigen Gesellschaft oft vermisst werden. Zielstrebigkeit, Ehrgeiz, Teamarbeit, Disziplin.

Trotzdem kämpft man in allen Sportarten – außer dem Fußball.

Deshalb weiß ich nicht, ob ich es meinem Sohn empfehlen würde. Aber ich für mich persönlich würde es nochmal zu machen. Obwohl ich viel geopfert habe, durchgängig am Rödeln und Kämpfen war. Am Ende steht und fällt es mit der medialen Präsenz. Da haben wir im Turnen sicher Nachholbedarf. Ich habe oft das Gefühl in der Verbandsarbeit dreht man sich im Kreis. Als Athletensprecher habe ich aber erfahren, dass man doch auf diesen Ebenen etwas bewirken kann. Darum kann ich mir durchaus vorstellen auch, in offizieller Funktion.

Was wären Sie eigentlich geworden, wenn Sie kein Turner geworden wären?

Fußballer (lacht). Oder Polizist. Das war mein Berufswunsch als Kind.

Und gibt es etwas, dass Sie schon immer gerne tun wollten, während der Karriere aber nicht durften?

Skifahren. Und mal ganz gemütlich ein Bier unter der Woche trinken. Beides gehe ich jetzt an…


INTERVIEW: HANNA RAIF

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