Durch die Torhüterbrille

von Redaktion

1860-Sportchef Werner steht zu Fan-Buhmann Vollath

Fühlt mit Vollath: Sportchef Christian Werner. © Sampics

Von allen guten Geistern verlassen: 1860-Torhüter René Vollath, am Samstag kein Rückhalt für sein Team. © Sampics / S. Matzke

München – Türkgücü, Aubstadt, Illertissen, Pipinsried und jetzt Unterhaching. Die Liste der 1860-Besieger im Totopokal wird jedes Jahr länger. Erst einmal, im Corona-Jahr 2020, haben es die Löwen geschafft, sich über den BFV-Cup für den DFB-Pokal zu qualifizieren. Besonders bitter ist das „Wie“ des fast schon traditionellen Scheiterns. War gegen Aubstadt noch ein bisschen Pech dabei (Halbfinal-Aus im Elfmeterschießen), so scheiterte 1860 in Illertissen, Pipinsried (B-Elf, kein Biss) und am Samstag gegen Haching vor allem an sich selbst. 1:3 gegen den Lokalrivalen, der in der Liga seit zehn Spielen auf einen Sieg wartet. Eine Blamage, und zwar losgelöst von den schweren Patzern, die Torhüter René Vollath im Spott & Häme-Konzert beider Fanlager unterlaufen sind.

Viele Stadionbesucher benutzten Vollath als Blitzableiter für ihren Löwen-Frust. Die Leistung des ehemaligen Hachingers war unterirdisch, das würde er selber sicher kaum bestreiten. Ein Tor selber ins Netz gelenkt (0:1), beim zweiten gezuckt, aber nicht zugepackt, und sogar beim 0:3 wirkte er wenig standhaft. Von der Sportpresse gab‘s durch die Bank die Schulnote 6, doch was kein Zensor einfließen ließ, war das unmenschliche Ambiente, in dem Vollath seine Arbeit verrichten musste. Die ersten Pfiffe aus der Westkurve gab‘s schon beim Aufwärmen. Dabei waren die Ultras dem Cup-Heimspiel mehrheitlich ferngeblieben. Auch während des Spiels wurde Vollath von den Rängen fertiggemacht. Sein Vergehen: Er ist nicht Marco Hiller. Auffällig: Selbst Vollaths Mitspieler wirkten nicht immer so, als würden sie mit dem Ex-Hachinger eine unverbrüchliche Einheit bilden.

Von allen Löwen konnte sich Christian Werner wohl am besten in die Lage seines teuersten Sommertransfers versetzen. Der 1860-Sportchef war früher selber Torwart, bis rauf in die Oberliga Hessen (FSV Steinbach). Mangels Profiperspektive setzte er früh auf einen anderen Zugang ins Fußball-Business, doch eines hat sich Werner bewahrt: den Blick durch die Torhüterbrille. Dass Vollath einen „schwarzen Tag“ hatte, ließ er sogar ins offizielle Statement schreiben, das der Verein am Sonntag postete. Gleichzeitig machte er sich zum Anwalt eines Menschen, der vielleicht nur nach außen den harten Hund markiert („Wenn die Fans pfeifen, bin ich am stärksten“). Zu unserer Zeitung sagte Werner: „Dafür braucht man kein Torhüter sein, um mit René mitzufühlen. Er ist ein Mensch, der alles daran setzt, seine beste Performance zu bringen – und der dann einfach einen Sch…tag hatte.“

Werner klingt fest entschlossen, nicht nur Vollath wieder aufzurichten, mit dem er ja langfristig plant – als Leiter der Torhüterakademie. Nein, er wehrt sich auch dagegen, Vollath alleine den Schwarzen Peter für das Totopokal-Aus zuzuschieben. „So ein Spiel ist eine Erfahrung, die man keinem Sportler wünscht“, sagt er, „aber das Gute ist: Wir gehen da gemeinsam durch. Es ist ja nicht das erste Mal, dass wir als Löwen einen Nackenschlag wegstecken müssen. Die gesamte Mannschaft hat sich am Samstag nicht so aufgebäumt, wie wir das erwartet haben.“ Am Samstag in Aachen sei Wiedergutmachung angesagt. Energisch fügte Werner hinzu: „Mal wieder…“
ULI KELLNER

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