Rückkehr mit Gebrüll? Sechs Goldmedaillen hat Eisenbichler bei Weltmeisterschaften schon geholt – in diesem Winter steht wieder eine WM an. © Schmidt/dpa
München – Er hatte sich bis zuletzt ja nicht ganz sicher sein können. Doch beim letzten Vorbereitungslehrgang in Nordeuropa ging der Daumen des Bundestrainers nach oben. Markus Eisenbichler wird dabei sein, wenn der Weltcup am Wochenende in Lillehammer seinen Anfang nimmt. Markus Eisenbichler rang das ein verschmitztes Markus-Eisenbichler-Lächeln ab. „Endlich“, sagte er, „ich hab das so vermisst.“
Fast einen ganzen Winter lang schien sich der Siegsdorfer im Sturzflug aus der Karriere zu befinden. Der Continental Cup, die wenig schillernde zweite Liga der Skispringer, war zur Heimat des Dreifach-Weltmeisters von Seefeld 2019 geworden. Und Eisenbichler verrät, dass ihn das auch gelegentlich bis an die Sinnfrage brachte. „Wenn da alles auf dich einprügelt, dann denkst du dir schon: Wofür mache ich das eigentlich?“, sagte er.
Doch wie so oft in seiner wechselvollen Karriere erlag der Ur-Bayer der Faszination des Fliegens. „Es macht einfach unheimlich viel Spaß“, betonte er. Und Eisenbichler hatte ja schon so seine Ahnung, warum ihm die Luft unter den Brettern so sehr abhandengekommen war. Einer der gewichtigsten Gründe saß wohl in seinem Knie. Schon vor Jahren hatte sich der Mann mit dem feinen Gefühl für die Lüfte einen Kreuzbandriss zugezogen. Irgendwann kamen die Schmerzen wieder. „Sein Fehler war, dass er viel zu spät Hilfe gesucht hat“, befindet Bundestrainer Stefan Horngacher.
Eingehende Untersuchungen zeigten: „Ich habe einen Knorpelschaden, einen lädierten Meniskus und auch das Kreuzband ist nicht mehr das beste“. Eine OP hätte ihm mindestens ein Jahr Zwangspause beschert, Ausgang ungewiss. Doch über die Vermittlung der Mannschaftsärzte um Dr. Florian Porzig kam Eisenbichler an eine Adresse in Salzburg. Dort bekam er eine vielfältige Therapie, die unter anderem auf einer Gabe von Eigenblut basierte. Und die Sache wirkte. Der Schmerz ist weiter sein fester Begleiter. Aber auf einer Skala von eins bis zehn „bleibe ich im Alltag normalerweise bei einer zwei. Wenn es eine fünf oder sechs ist, dann kann ich noch springen. Bei einer acht wird es zäh“.
Und dann war da, wie so oft in der fragilen Disziplin: der Kopf. „Dinge in meinem privaten Umfeld“, auf die er nicht näher einsteigen will. Doch er sagt: „Meine Eltern, meine Spezln haben mir da rausgeholfen“. Und die Skitouren. Ob mit Freunden oder einfach nur mit sich und der Natur – es ist der Weg, auf dem Eisenbichler seinen Frieden findet. So hat er das auch nach Saisonende gehalten, als er mit Freunden für 17 Tage in den Einsamkeiten Norwegens verschwand. Danach kam der Mann, der es neben der Fliegerei mittlerweile zum Kommissar bei der Polizei gebracht hat (“Ich habe da schon ein paar Optionen für nach der Karriere im Auge“), mit Ruhe und Energie zurück.
Seinem Trainer ist auch das aufgefallen. „Er hat viel und extrem gut trainiert“, sagte Horngacher, „teilweise ein bisschen zu viel, deswegen hat er im Sommer mal einen kleinen Durchhänger gehabt.“ Doch Eisenbichler hat sich durchgebissen. Und je näher die Saison rückte, desto mehr ging ihm auf, dass die alten Kollegen wieder in Reichweite sind. Freund und Zimmerkollege Karl Geiger sowieso. Doch sogar mit dem Weltcup-Dritten Andreas Wellinger konnte Eisenbichler auf den Trainings- und Wettkampfstätten Schritt halten. Und längst ist sich auch der Bundestrainer sicher: „Er kann wieder der Alte werden!“ Vielleicht ja schon in Lillehammer. Dort sprang er im Spätwinter 2023 noch zu einem Schanzenrekord.
PATRICK REICHELT