Höhenflug im Härtetest

von Redaktion

Bayern-Basket vs Barcelona

Gelbe Übermacht: Im vergangenen Jahr war Bayern gegen Barca chancenlos – am Ende stand ein 79:87 auf der Anzeigetafel. © IMAGO

München – Gordon Herbert sah bemitleidenswert aus. Mit der Mütze auf dem Kopf, einer Maske im Gesicht, kauerte der schwer kränkelnde Trainer der Basketballer des FC Bayern auf der Tribüne des BMW Park und schaute sich an, was seine Profis da im Training zu bieten hatten. „Er ist basketballverrückt und hält es nicht mehr zu Hause aus“, erklärt Herberts Assistent TJ Parker, „ich denke, er wird bald zurück sein.“

Wahrscheinlich schon am Freitag. Um 20.30 Uhr kommt dann der FC Barcelona in den SAP Garden. Das nächste Gipfeltreffen der Euroleague. Und der ist für die Bayern so etwas wie ein Lackmustest. Wie stabil ist er, der Münchner Höhenflug dieser ersten Saisonwochen? Kapitän Andi Obst jedenfalls ist überzeugt, dass seine Bayern nun doch mit anderen Voraussetzungen gegen die sieggleichen Katalanen antreten als noch in der jüngeren Vergangenheit. „In den letzten Jahren sind solche Mannschaften mit dem Gedanken zu uns gekommen: Das Spiel muss man eigentlich gewinnen“, sagte er, „jetzt wissen sie: hier in München wird es schwer.“

Barcelona gewann die Euroleague zweimal

Ein Wandel, der viel mit Herbert zu tun hat. Der Kanadier hat es nicht nur geschafft, Spieler wie Carsen Edwards oder Nick Weiler-Babb in die derzeitige Ausnahmeform zu bringen. Seine Idee von Tempobasketball hat die ganze Mannschaft auf ein spielerisch höheres Niveau gehoben. Und es geht noch mehr, wie Oscar da Silva glaubt. „In einigen Details passieren uns immer noch Fehler. Und die musst du gerade gegen Teams wie Barcelona gering halten.“

Da Silva muss es wissen, bis zum Frühjahr hatte er noch selbst das rot-blaue Barca-Trikot getragen. Hat mitbekommen, was es heißt, ein Logo mit einer wohl noch größeren Strahlkraft als das des FC Bayern auf der Brust zu tragen. Und das liegt nicht nur am viel zitierten Motto „Mès que un clube“ (Mehr als ein Verein). Der FC Barcelona ist ein Verein, der schon viele Jahre da ist, wo die Münchner Korbjäger erst hin wollen. Man hat die Königsklasse bereits zweimal gewonnen. Und trotz aller Finanznöte des Hauptvereins – anders als in München sind die Profibasketballer kein eigenständiger Geschäftsbetrieb – baut man Jahr für Jahr Teams mit Titelanspruch. Das ist auch in diesem Jahr so, wie klangvolle Namen wie Jan Vesely, Kevin Punter oder Willy Hernangomez erahnen lassen.

Doch: Auch Barca ist verwundbar, wie Neuling Paris Basket gerade mit einem 103:87-Spektakel im Palau Blaugrana aufdeckte. Und wenn man so will, dann haben die Bayern ja in TJ Parker einen Barca-Spezialisten in ihren Reihen. Der heutige Herbert-Assistent stand bekanntlich geraumer Zeit bei ASVEL Villeurbanne an der Seitenlinie. Mit den Franzosen zierte er zwar meist den Keller der Euroleague-Tabelle, seine Barcelona-Bilanz war aber ein beachtliches 3:3. „Ich weiß, wie man diesen Jungs weh tun kann“, sagte er, mit einem verschmitzten Lächeln.

„Du musst ihre Stärken wegnehmen“, sagte Oscar da Silva.. Nicolas Lapprovitola wäre eine solche gewesen, doch der argentinische Ballzauberer verletzte sich schwer und fällt wohl für die komplette Saison aus. Doch vor allem am Korb vereinigt Barcelona Länge und Routine. Klingt nach Schwerstarbeit für Devin Booker, Johannes Voigtmann & Co. Wahrscheinlich auch für Onuralp Bitim. Ob der Ex-Bulle aus Chicago spielt oder nicht, daraus machen die Bayern noch ein Geheimnis. Trainiert hat der Türke seit Wochenmitte. Und nun? „Trainerentscheidung“, feixt Parker. Auch wenn der noch auf der Tribüne saß.
PATRICK REICHELT

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