Daumen hoch! Coach Kompany ist zufrieden mit Kanes Pressingarbeit, wie hier gegen Zagreb. © Bratic/IMAGO
Nah dran: Kane (r.) setzt auch seinen Körper ein. © IMAGO
München – Harry Kane hat sich für Paris Saint-Germain warmgeschossen. Der Bayern-Star traf am Freitag gegen Augsburg (3:0) dreimal. In 62 Pflichtspielen für den Rekordmeister hat der Superstürmer damit bereits 64 Tore erzielt, dazu kommen 21 Vorlagen. Dennoch kommt immer wieder folgender Vorwurf auf: Kane könne kein Pressing und passe nicht ideal ins hochintensive System von Trainer Vincent Kompany. Aber stimmt das überhaupt?
Nach Informationen unserer Zeitung sind die Verantwortlichen völlig anderer Meinung. Man könne das Pressing von Mannschaften wie RB Leipzig nicht mit jenem des FC Bayern vergleichen. Das der Sachsen ist explosiver, Stürmer Benjamin Sesko sprintet die Gegenspieler regelmäßig an und geht in den Zweikampf. Das der Münchner, die deutlich mehr Ballbesitz haben, ist anders. Lediglich die Flügelspieler gehen ab und an explosiv in die Zweikämpfe.
Ziel des Bayern-Pressings ist es, auf jedes Zuspiel des Gegners Druck aufzubauen und so die Kontrahenten zu Fehlpässen und langen Bällen zu zwingen. Es geht um den Gesamtdruck der Mannschaft über die komplette Spieldauer. Und dafür passt Kane sehr gut.
„Das Pressing ist nur für eine sehr kleine Zeitspanne Mann gegen Mann. In dem Moment, in dem es zu einem Zweikampf kommt, haben wir immer Überzahl um den Ball“, erklärte Kompany kürzlich. „Der Unterschied ist, dass man in der ersten Phase Druck auf den Passgeber ausüben muss, um sicherzustellen, dass man schneller in die Abwehraktion kommt. Ich denke, dass es für dieses Team so einfacher ist, als wenn ich ein 4-1-4-1-Pressing aufstelle, bei der der Mittelstürmer die Innenverteidiger auseinanderziehen muss.“
Kane ist 90 Minuten lang konstant aktiv, spult extrem viele Meter ab und lässt nie nach. Paradebeispiel dafür: Beim 9:2 zum Auftakt der Champions-League-Saison gegen Dinamo Zagreb setzte der Viererpacker in der 94. Minute zum Vollsprint an und luchste Zagreb-Stürmer Bruno Petkovic kurz vor dem Strafraum mit einer beherzten Grätsche den Ball ab.
Nicht alle sogenannten Experten nehmen das weniger explosive Pressing des englischen Nationalmannschaftskapitäns wahr. „Wenn man Druck machen will, muss das zuerst vom Mittelstürmer kommen. Harry macht aber kein Pressing. Er hat sich kaum bewegt“, sagte England-Legende Gary Lineker beispielsweise während der Europameisterschaft in Deutschland im vergangenen Sommer. Nicht ganz passend, denn bei der EURO 2024 hat Vize-Europameister Kane insgesamt am meisten Druck auf die Gegner ausgeübt (503-mal) und auch am häufigsten die Gegner in deren Hälfte (326), im Mitteldrittel (256) und im Schlussdrittel (187) des Feldes gepresst. Das belegen die Zahlen von Datendienstleister Opta.
Joshua Kimmich sprach Kane nach dem so wichtigen 1:0 am 6. November in der Champions-League-Ligaphase gegen Benfica Lissabon gar ein Sonderlob aus – und zwar für seine Pressingarbeit. „Man merkt, dass alle mit arbeiten und hungrig sind, das Tor zu verteidigen“, freute sich der Bayern-Sechser und schwärmte vom 31-jährigen Engländer: „Wenn wir die Videoanalyse machen und sehen, wie der Harry nach hinten arbeitet, dann ist das schon ein Schlüssel.“ Gegen PSG will Kane wieder zum Erfolgsschlüssel werden. Auch die Pariser buhlten im Sommer 2023 intensiv um seine Gunst. Am Ende gab der damalige Tottenham-Kapitän dem FC Bayern seine Zusage.
P. KESSLER, M. BONKE