Platz da, jetzt komme ich: Bitims Physis soll den Bayern bald noch mehr helfen als hier bei seiner München-Premiere in der Partie gegen den FC Barcelona. © IMAGO
München – Zumindest ein Bayern-Spieler stieg Montagmittag mit einem Lächeln in den Bus in Richtung Flughafen. Für Onuralp Bitim war der Trip in Richtung Istanbul zumindest ein Trip in Richtung Heimat. Ich freue mich immer, wenn ich meine Heimat besuchen kann, sagte er.
Daran ändert es auch nichts, dass die Umstände diesmal nicht unbedingt die Besten sind. Mit den Bayern, seinem neuen Club hat Bitim bei Roter Stern Belgrad (77:101) und gegen RASTA Vechta (77:78) gerade zwei ziemlich heftige Pleiten erlebt. Womit das Gastspiel am Dienstag (18.30 Uhr) bei Efes Istanbul schon ein bisschen Richtung weisend wird. Steckt man sich im Krisenmodus fest oder geht es zurück in den Rausch?
Bitim zumindest will darüber nicht weiter nachdenken: „Ich habe viele harte Momente in meiner Karriere erlebt – das ist sicher keiner davon.“ Worauf er da anspielt, liegt nahe. Kurz vor dem Start der NBA hatten ihn die Chicago Bulls wegen einer Netzhautablösung im Auge freigestellt. Wie tief das saß, konnte man in dem emotionalen Post ablesen, den er seinerzeit bei X veröffentlichte. „Das ist der Ort, an dem meine Kindheitsträume Wirklichkeit wurden. … Chicago Bulls, ihr habt mir das Privileg gegeben, dort zu trainieren, wo mein Kindheitsheld MJ einst trainierte, und in derselben ikonischen Arena Basketball zu spielen“, hatte er da geschrieben.
Man kann es als Kompliment sehen, dass der 25-Jährige in der Folge gerade den Bayern den Zuschlag gab. „Für mich war schon klar, dass ich bei einem Weltverein spielen will“, sagte Bitim, „wenn du es einmal erlebt hast, was das bedeutet, dann willst du es immer haben.“ Bitim wollte zu den Bayern, und die Bayern wollten ihn. Auch das Augenproblem war da kein Hindernis. Man hat Bitim eine Maske verpasst, mit der er sich schützen kann. „Es muss nicht sein“, erklärte er, „aber sie halten es fürs erste für besser.“ Wahrscheinlich kann einer wie der Mann, der sich die fiese Filmfigur Joker auf die Wade tätowieren ließ, gar nicht anders als groß zu denken. Er kennt es nicht anders. Schon sein Vater spielte bei den Istanbuler Großclubs Fenerbahce und Efes, seine Mutter bei Fenerbahce. Und auch für ihn selbst hatte das Unternehmen Profibasketball einst bei jenem Club begonnen, bei dem die Bayern nun unbedingt ihr kleines Wellental hinter sich bringen wollen. „Es ist lange her“, sagte er, „aber das ist mein Heimatclub.“
Und es hätte auch sein nächster Club sein können. Doch Lokalrivale Fenerbahce reagierte trotz eines prall gefüllten Kaders schneller und entschlossener als Bitim auf den Markt kam – dem Vernehmen nach vor allem, um einen Transfer zum Nachbarn zu verhindern. Gut für die Bayern, die nach den Verletzungen von Niels Giffey und Vladimir Lucic auf der Flügelposition offen für ein Leihgeschäft waren.
Und die Heimat kriegt Onuralp Bitim ja nun auch so zu sehen.
PATRICK REICHELT