Tom Liebscher-Lucz (re.) und Max Rendschmidt in Paris in Aktion. © Kahnert/dpa
Olaf Scholz, Ehefrau Britta und Olympiasieger Tom Liebscher-Lucz während Olympia in Paris. © Wasson / dpa
Informelles Treffen, das dann doch öffentlich wurde: Friedrich Merz und der Goldjunge. © Facebook/Merz
München – Tom Liebscher-Lucz ist dreimaliger Olympiasieger. Viele kennen den Top-Kanuten seit den Sommerspielen in Paris auch deshalb, weil er kurz nach seinem dritten Gold-Coup gemeinsam mit seinem Bootspartner Max Rendschmidt (30) an der Rennstrecke auf Bundeskanzler Olaf Scholz (66, SPD) einredete. Unsere Zeitung hat den 31-jährigen Dresdner auf dem Sport Marke Medien Kongress in München getroffen und ihn auch zu seinem jüngsten Treffen mit CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz (69) befragt.
Tom, Ihre Goldmedaille baumelt um den Hals. Müssen Sie die noch oft herzeigen?
Im Moment ist die Medaille oft eingepackt, weil ich sie bei vielen Terminen dabeihabe. Aber zu Hause hat sie keinen besonderen Platz, auch damit niemand auf die Idee kommt, sie mir wegzunehmen. Materiell würde sich das aber sowieso nicht lohnen. Sie besteht aus 6 Gramm Gold, recyceltem Material und 18 Gramm Eisen vom Eiffelturm, was ich ziemlich cool finde.
Sie werden immer wieder auf Ihr Gespräch in Paris mit Olaf Scholz angesprochen. Wie kam es dazu?
Wir sind zehn Minuten vorher im Zweier als Fünfter ins Ziel gekommen. Ich habe gesehen, dass ganz in der Nähe Bundeskanzler Olaf Scholz sitzt. Da dachte ich mir, wenn er schon da ist, will ich mit ihm über meine Leidenschaft sprechen. Die Medien haben meinen Auftritt vielleicht etwas überspitzt dargestellt, aber prinzipiell hat es den Nagel auf den Kopf getroffen. Ich sah es als meine Pflicht, ihm zu sagen, was ich denke und was es im deutschen Sport braucht.
Wie hat er reagiert?
Wir kennen ja seine Art, so war er auch in diesem Gespräch. Aber allein, dass er in Paris zweimal beim Kanu war, habe ich als große Geste und hohe Wertschätzung empfunden. So hohe politische Prominenz hat uns in Rio und Tokio nicht besucht. Und Herr Scholz hat zugehört. Wie viel davon hängengeblieben ist, weiß ich nicht. Aber wenn es nur fünf Prozent sind, hat es sich schon gelohnt. Immerhin musste der Regierungssprecher ein paar Tage eine Erklärung abgeben und hat bekräftigt, wie wichtig der Sport ist.
Wie gut finden Sie unser Sportsystem?
Es gibt immer etwas zu verbessern. Wir Kanuten haben 18 Prozent der deutschen Medaillen in Paris geholt, aber seit fünf Jahren keinen großen Verbandssponsor. Das ist schade, vor allem für den Nachwuchs. Aber grundsätzlich beneiden uns viele Länder um das, was wir haben. Sportschulen zum Beispiel und unsere Vielfalt an Sportförderstellen. Man kann in diesem System Olympiasieger werden. Klar ist aber auch: Wenn man trotz Inflation über viele Jahre die Fördersumme nicht erhöht, dann halbiert sich am Ende vielleicht auch die Medaillenausbeute. Deswegen: Über die zehn oder zwanzig Prozent, die im System ruckeln, müssen wir sprechen.
Haben Sie mit Olaf Scholz eigentlich auch Nummern ausgetauscht?
Das nicht, aber ich wundere mich immer wieder, wie viele Leute meine private Adresse haben. Also wenn man mich erreichen will, dann funktioniert das und ich stehe auch zur Verfügung.
Friedrich Merz hat es geschafft. Sie waren kürzlich bei ihm. Wie war es?
DKV-Präsidentin Dajana Pefestorff und ich wurden eigentlich zu einem informellen Treffen eingeladen, zwei Stunden später wurden dann Bilder öffentlich gepostet. Aber das ist mir egal, vielleicht hat es gereicht, um ein paar Grundthemen zu setzen. Nach der Bundestagswahl werden Koalitionsverhandlungen stattfinden, da werden Dinge festgesetzt und danach abgearbeitet. Wenn wir als Sport da nicht stattfinden, sind wir für die nächsten vier Jahre wieder raus. Dann können wir Lippenbekenntnisse abholen, aber Geld bringt das erst mal nicht. Ich habe mit Herrn Merz über Dinge gesprochen, die mir wichtig sind und deswegen stört mich auch so manche Kritik nicht. Wenn mich jemand als Schimpanse bezeichnet, ist mir das völlig wurscht. Vielleicht wird man erst nach der dritten Goldmedaille gehört, aber wenn man die Chance hat, sollte man sie nutzen.
Ein Sportfördergesetz, das das Fördersystem noch verbessern sollte, war politisch beschlossen. Leider liegt es nach dem Regierungsbruch jetzt auf Eis. Haben Sie Hoffnung?
Es wäre eine erste Grundlage gewesen, leider hat das Ampel-Aus uns einen Strich durch die Rechnung gemacht. Auf der anderen Seite hat der Sport nun knapp 90 Tage die Chance, sich zu präsentieren und vielleicht zu einem gewissen Prozentsatz in den Wahlkampf einzuschalten. Wir sind keine Heilsbringer und verbrauchen auch Steuergelder, aber dafür gibt der Sport der Gesellschaft auch viel zurück. Das fängt bei Hallenbädern an und der Folge, dass Kinder schwimmen lernen und eben nicht in Badeseen ertrinken und hört im Alter auf, wenn sportliche Menschen die Krankenkassen weniger belasten.
INTERVIEW: MATHIAS MÜLLER