Sonderlob: Hainer bezeichnet Laimer als „Wiesel“. © IMAGO
Finanzielles Limit bei Musiala? Hainer antwortet vielsagend: „Wir wollen ihn halten.“ © IMAGO
„In erster Linie bin ich Fan“: Für Hainer ist der Verein Herzensangelegenheit – hier beim Basketball. © IMAGO/Fischer
Treffen an der Säbener: Herbert Hainer und Redakteurin Hanna Raif sprachen knapp eine Stunde.
Die Schale fehlt heuer auf dem Podium – aber Hainer stellt die Deutsche Meisterschaft 2025 schon in Aussicht: „Ich bin zuversichtlich.“ © IMAGO/Wagner
München – Bewegte Wochen für den FC Bayern: Nach drei Kracher-Spielen binnen einer Woche steht am Sonntag (10.30 Uhr) die Jahreshauptversammlung an. In der Rudi-Sedlmayer-Halle empfängt der Rekordmeister seine Mitglieder, Hauptredner wird Herbert Hainer (70) sein. Im Interview spricht der Präsident über den „Familientag“ – und Herausforderungen.
Herr Hainer, wie blicken Sie mit zwei Tagen Abstand auf das Pokal-Aus?
Wir haben uns sehr geärgert, dass wir ausgeschieden sind. Die Mannschaft ist gut in Schwung, selbst in Unterzahl haben wir das Spiel gemacht. Wir müssen das abhaken. 2025 haben wir große Ziele, aktuell wirft jetzt auch schon die Klub-WM erste Schatten voraus: Mit Blick auf die WM 2026 ist das für den FC Bayern eine ausgezeichnete Möglichkeit, sich auch als Verein weiter in den USA zu etablieren.
Warum bringt das nächste frühe Pokal-Aus den Verein heuer nicht aus der Ruhe?
Ich war nach dem Spiel in der Kabine, habe mit ein paar Spielern und dem Trainer gesprochen. Sie waren enttäuscht, aber es klang auch Stolz durch – zurecht. Was die zehn Mann für ein Laufpensum abgespult haben – etwa Konrad Laimer, wie ein Wiesel! Da war Aufbruchsstimmung. Die Spieler wissen, was sie drauf haben.
Obwohl man in großen Spielen bisher nicht die nötigen Ergebnisse geliefert hat?
Das möchte ich so nicht stehenlassen. Wir haben etwa in Dortmund ein hervorragendes Spiel gemacht, auch jetzt gegen Leverkusen genauso wie in der Liga, gegen Stuttgart 4:0 gewonnen, Paris geschlagen. Wir werden noch viele Spiele – auch viele sogenannte große Spiele – gewinnen. Wir müssen uns ja auch noch was fürs Frühjahr aufheben, wenn es auf die Zielgeraden geht (lacht).
2025 sollen bei der Jahreshauptversammlung wieder Trophäen der Männer auf dem Podium stehen.
Und dass wir im Jahr unseres 125-jährigen Bestehens wieder ein „Finale dahoam“ haben, ist natürlich ein Anreiz. Da würden wir gerne dabei sein. Aber Schritt für Schritt, da muss alles passen.
Am Sonntag leiten Sie zum vierten Mal als Hauptredner durch die Jahreshauptversammlung. Sind Sie inzwischen ein „alter Hase“ – oder hat man immer noch ein wenig Herzklopfen?
Ich habe bei adidas 16 Jahreshauptversammlungen geleitet, aber wie man 2021 gesehen hat, kann man nie ganz sicher sein. Das war ein ein Stahlbad, das im Nachhinein aber ein entscheidender Wendepunkt wurde – seitdem schreiben wir beim FC Bayern eine neue Zeitrechnung, weil wir jetzt im Dialog mit unseren Mitgliedern stehen wie nie zuvor.
Anders als 2021 dürften böse Überraschungen diesmal ausbleiben, oder?
Wir haben aus 2021 die richtigen Schlüsse gezogen. Allein in diesem Jahr haben wir 22 Mitgliederevents organisiert – mit über 1000 Teilnehmenden. Wir fragen nach, wir hören zu, wir bewegen uns. Wir haben einen Teens Club eingeführt, wir binden die „Silver Generation“ Ü65 in unsere Förderprogramme an Schulen einen, um Generationen zusammenzuführen. Wir haben 2024 rund 40 000 neue Mitglieder gewonnen, so viele wie noch nie zuvor in einem Jahr, das sehen wir auch als Bestätigung unserer Dialogformate. Wir stehen bei weit über 360 000 Mitgliedern.
Was kriegen Sie für Feedback?
Unsere Welt erlebt unruhige Zeiten wie lange nicht mehr: Kriege und wirtschaftliche Herausforderungen sorgen die Menschen. 78 Prozent unserer Neumitglieder gaben an, dass sie Teil der FC Bayern-Familie werden wollten. Viele suchen Halt, eine Heimat. Wir hören nie auf, zu lernen, auch von der Basis. Der FC Bayern trifft den Zeitgeist. Ich freue mich auf einen schönen Familientag am Sonntag.
Sie verkünden Rekord-Eintritte – und werden auch Rekordzahlen verkünden. Kann man direkt zum Freibier übergehen?
(lacht) Ganz so ist es nicht. Es wird viel geboten sein, zum Beispiel gibt es eine besondere Ausstellung zu Franz Beckenbauer, dessen Gedenken die Veranstaltung gewidmet ist. Es ist eine große Ehre, dass Heidi mit ihrem Sohn Joel auch da sein wird. Generell können wir mit dem Jahr zufrieden sein, vor allem gesellschaftlich und wirtschaftlich – sportlich haben unsere FC Bayern Frauen und unsere Basketballer je zwei Titel geholt, grandiose Leistungen, die nicht zu kurz kommen sollten.
Als Präsident haben Sie stets das große Ganze im Blick. Wie viele E-Mails beantworten Sie am Tag?
Wir haben uns vorgenommen, dass jeder Brief, jede Mail an den Verein beantwortet wird. Die Mitglieder sollen wissen, dass sie das Herz unseres Klubs sind. Und so gehe ich auch mit den Mails an mich persönlich vor. Am Tag nach dem Pokal-Aus waren es einige – durchgehend positive übrigens, nach dem Motto: Jetzt erst recht!
Konnten Sie Ihnen die Deutsche Meisterschaft versprechen – wie Uli Hoeneß letzte Woche?
(schmunzelt) Wenn der Ehrenpräsident etwas verspricht, hoffe ich, dass die Mannschaft sich daran hält. Ich bin da sehr zuversichtlich. Wir sind der FC Bayern und formulieren unsere Ansprüche.
Wie sehr hat Vincent Kompany das schon verinnerlicht – er saugt den Verein ja regelrecht auf.
Dieser Mann ist ein absoluter Gewinn, sympathisch und empathisch. Wie er jetzt auch die Niederlage gegen Leverkusen aufgenommen hat, hat das erneut bestätigt. Er hat sich sofort darauf fokussiert, wie es jetzt weitergehen muss.
Der FC Bayern gibt unter Kompany auf dem Platz, aber auch daneben ein ruhiges Bild ab wie lange nicht. Was stimmt Sie positiv, dass das nachhaltig ist?
Weil wir insgesamt klar abgestimmte Verantwortlichkeiten geschaffen haben. Wir haben mit Jan-Christian Dreesen, Michael Diederich und Max Eberl in unserem Vorstand drei Persönlichkeiten, die absolute Profis auf ihren jeweiligen Gebieten sind, eng zusammenarbeiten und sich so auf die wesentlichen Dinge konzentrieren können.
Dreesen geht nun in seine zweite Amtszeit. Sie sind bis 2025 gewählt. Gab es schon einen Aha-Moment?
Nein, daran denke ich jetzt noch nicht. Mir macht diese Aufgabe sehr viel Spaß und zu gegebener Zeit werden wir darüber sprechen. Was ich sagen kann: Der FC Bayern ist für mich eine Herzensangelegenheit, ich stand ja schon als junger Kerl im Stadion und bin in erster Linie Fan. Am Mittwoch war ich nach dem Spiel gegen Leverkusen zum Beispiel um 1.45 Uhr daheim und um 8.30 Uhr wieder an der Säbener Straße. Das empfinde ich aber nicht als harte Arbeit.
Dann sprechen Sie mal aus Fan-Sicht: Das Champions-League-Finale 2025 wäre auch für Manuel Neuer und Thomas Müller ein schöner…
… sagen Sie jetzt nicht Abschluss! Sagen wir: Es wäre für die beiden ein Highlight. Die zwei sind Ikonen bei uns, Leitplankensetzer, die der nächsten Generation zeigen, worauf es beim FC Bayern ankommt. Solche Persönlichkeiten sieht man auch gerne nach der Karriere im Verein.
Ist der Umgang mit verdienten Spielern einfach oder schwerer als mit anderen?
Der Umgang ist nicht schwerer, aber die Zeiten ändern sich. Uli Hoeneß hat einst gesagt, er habe sich von seinem Spieler-Gehalt ein Reihenhaus leisten können, mehr aber auch nicht. Heute verdienen die Spieler so viel mehr, dass es verständlich ist, dass es da keinen Automatismus gibt, nach der Karriere für den Verein zu arbeiten. Da muss Selbstverwirklichung der Antrieb sein, das Herz für „seinen“ Klub, die Vorstellung, dass man etwas für die Fans bewegen kann.
Müller und Neuer werden vor allem neben dem Platz eine Lücke reißen. Wer soll denn die repräsentativen Aufgaben übernehmen – muss man andere Spieler in die Pflicht nehmen?
Die Zeit wird neue Gesichter hervorbringen. Schauen Sie sich Jamal Musiala an: Vor zwei Jahren war sein Spitzname „Bambi“ heute ist er ein Platzhirsch. Ich sehe auch einen Aleks Pavlovic, gebürtiger Münchner, Nationalspieler, zentrale Position im Spiel, der in die Verantwortung hineinwachsen kann. Die Lücken werden geschlossen.
Musiala soll auch auf dem Platz das Gesicht des FC Bayern werden. Wird die Vertragsverlängerung am Sonntag in großer Kulisse verkündet?
Das ist Sache von Max Eberl und Christoph Freund, die einen tollen Job machen und die Gespräche führen. Man muss da nichts über Knie brechen. Jamal ist ein absoluter Alleskönner, er kam mit 16 zu uns, hat sich hier zu einem der Besten der Welt entwickelt – ich denke, sein Weg beim FC Bayern ist noch lange nicht zu Ende.
Darf es finanziell bei dieser Personalie Denkverbote geben?
Sagen wir es mal anders: Wir wollen ihn sehr gerne behalten.
Der Fall Kimmich ist anders gelagert.
Auch ihn wollen wir natürlich behalten. Ich würde mich freuen, wenn er seine Karriere beim FC Bayern beendet. Er soll mal unser Kapitän werden, und wenn ich mir das so anschaue: Beckenbauer, Matthäus, Effenberg, Kahn, Neuer – wer würde sich da nicht gern einreihen? Das sind Namen, von denen FC Bayern-Fans für alle Zeiten schwärmen. Jo gibt immer 110 Prozent. Er ist ein Vorbild im roten Trikot, das soll er bleiben.
Ist Vincent Kompany auch in der Kaderplanung ein Pfund?
Ein absoluter Pluspunkt. Fußballer wollen nach vorne spielen, Tore schießen. Dass das bei uns gegeben ist, gefällt allen. Vincent steht für den Stil, den der FC Bayern spielen will.
Apropos Pfund: Findet die nächste Jahreshauptversammlung eigentlich im neuen SAP-Garden statt?
Der BMW Park ist ideal, weil er für unseren Klub durch unsere Basketballer wie ein Wohnzimmer ist – im Übrigen ist er weltweit die einzige Halle, in der dauerhaft auf Videoboden gespielt wird. Der SAP Garden war die ersten Spiele durchgehend ausverkauft. Das ist ein Zeichen, dass es der FC Bayern geschafft hat, Basketball in München zu etablieren. Ich kann einen Besuch nur empfehlen.
INTERVIEW: HANNA RAIF