„Deutscher WM-Sieger? Kommt!“

von Redaktion

„Dartpapst“ Elmar Paulke im großen Interview vor dem Start im Ally Pally

Darts wird immer populärer, auch Promis und TV-Sender nehmen den Hype mit. © IMAGO/Thomas Schröer

Ihm traut Paulke das Halbfinale zu: Der filigrane Pfeile-Werfer Martin Schindler. © IMAGO

Die deutsche Stimme des Darts: Elmar Paulke, hier mit Michael van Gerwen. © Instagram/Elmar Paulke

Held im Ally Pally: Gabriel Clemens ist ein Liebling der (positiv) verrückten Darts-Fans. © IMAGO/Shaun Brooks

Dießen – Für viele Menschen ist er „die Stimme des Darts“: Elmar Paulke. Der 54-jährige TV-Kommentator – früher Sport1, heute DAZN – machte den ehemaligen Kneipensport in Deutschland groß, hat einen großen Anteil daran, dass die Darts-WM (ab 15. Dezember) mittlerweile von einem Millionen-Publikum verfolgt wird. Die Darts-WM 2005 war die erste, die Paulke kommentierte. 20 Jahre später nimmt er sich kurz vor dem Start der Darts-WM 2025 Zeit für unsere Zeitung und spricht über die Entwicklung des Sports und die deutschen Chancen bei der Weltmeisterschaft.

Der Wahnsinn im Ally Pally geht los: Wie viele Stunden können Sie während der Darts-WM pro Nacht schlafen?

Wenn die WM läuft, geht irgendwann der Rhythmus verloren. Ich glaube, man hat zu viele Bilder im Kopf. Deshalb schlafe ich ehrlicherweise nicht gut während der WM. Das führt irgendwann zu einem Schlafdefizit. Mit der Zeit träume ich dann nachts von Darts – ein schlechtes Zeichen (lacht). Das ist aber irgendwie Part oft he Deal. Ich muss darauf achten, mich gesund zu ernähren. Es ist wichtig, viel Tee zu trinken, um meine Stimme zu schonen, da ich viele Stunde kommentieren werde.

Die WM 2025 steht vor der Tür, bei der WM 2005 kommentierten Sie erstmals Darts – wie kam es dazu?

Das DSF (heute Sport1; Red.) hat damals gemerkt, bei den ganz großen Rechtepaketen finanziell nicht mitgehen zu können. Dann hat der Sender das legendäre Rechtepaket der Firma „Matchroom“, bei dem neben Darts unter anderem Poker und Haifischen dabei war, erworben. Ich wusste, dass ich über 30 Stunden Darts-WM kommentieren werde und hatte echt wenig Ahnung. Deshalb bin ich auf einen Bundesligaspieltag gefahren, um zu erfahren, was die Leute an diesem Sport so fasziniert. Mit der Zeit bin ich immer mehr in diese Profiwelt reingewachsen.

Wie hat sich die Darts-Szene denn in den letzten 20 Jahren verändert?

2004 gab es kaum junge Spieler, die versucht haben, sich durch den PDC-Circuit zu finanzieren – James Wade und Adrian Lewis waren die Ausnahmen. Damals haben Profis hauptsächlich bei Darts-Exhibitions (Showturniere; Red.) mitgemacht, um Geld zu verdienen. Das heißt, Darts-Profis waren oft Alleinunterhalter. Sie sind in eine Kneipe gegangen, haben gutes Taschengeld erhalten und die Leute damit unterhalten, gut Darts zu spielen. Der entscheidende Unterschied ist die Turnierstruktur. Man hat sich an anderen Sportarten orientiert, beispielsweise am Tennis und sich gefragt: Wie können die eine ganze Tour aufrechterhalten? Wie halten die ihre Profis an der Stange? Man braucht mindestens 70,80 Profis, um eine solche Tour am Leben zu erhalten.

Heute hingegen klagen einige Profis bereits, dass es zu viele Turniere sein würden…

Die Belastung wird immer größer, viele Tage im Jahr sind die Profis auf Reisen. Auch die Preisgelder steigen immer weiter. Der Bully Boy – Michael Smith – hat im Ally Pally bei drei WM-Finalteilnahmen mehr verdient als Phil Taylor jemals – und der wurde 14-mal Weltmeister bei der PDC (lacht). Würde Taylor seine Erfolge heutzutage feiern, wäre er ohne Probleme im zweistelligen Millionenbereich.

Nicht jeder sieht Darts als richtigen Sport an. Wie oft müssen Sie Menschen vom Gegenteil überzeugen?

Inzwischen immer seltener. Ich kann mich noch erinnern: die Kollegen der Süddeutschen Zeitung haben sich in den ersten Jahren geweigert, die Darts-WM mit in den Sportteil zu packen. Das wurde in einem anderen Teil untergebracht, mit einem Bild ganz nach dem Motto: Der kleine, dicke Engländer hat die WM gewonnen. Früher haben Leute ihre Liebe zum Darts noch eher verheimlicht. Heutzutage wird in jedem großen Medium über Darts berichtet. Da wird im „heute journal“ verkündet, wer im WM-Finale steht. Darts ist mittlerweile bei vielen als Sport, als Mentalsport, anerkannt.

Und in diesem Mentalsport arbeiten sich auch immer mehr Deutsche immer weiter nach oben in der Weltrangliste. Ist Martin Schindler, der ein sehr gutes Jahr 2024 erlebt hat, endlich der Deutsche, den wir dauerhaft in der Weltspitze sehen werden?

Könnte sein, ich sage Ihnen dann in zwei Jahren, ob es wirklich so ist (lacht). Nein, im Ernst: ich bin mir ziemlich sicher, dass wir irgendwann einen deutschen Weltmeister haben. Bei über 80 Millionen Einwohnern wird das möglich sein. Die Niederlande mit 17, 18 Millionen Einwohnern haben so erfolgreiche Dartspieler, da steckt einfach viel Fleiß und Disziplin dahinter. Die Entwicklung in Deutschland ist super, es kommen inzwischen viele junge Spieler nach. Zurück zu Martin: er spielt eine großartige Saison und hat das Potenzial, die Großen zu schlagen. Bei ihm fehlt noch der Schritt, bei großen Major-Turnieren noch erfolgreicher zu sein, dann geht es in der Weltrangliste automatisch nach oben. Aber egal ob Martin oder auch Gabriel Clemens: Sie haben das Potenzial für ein WM-Halbfinale. Auch die großen Spieler wissen, dass sie gegen die Jungs aufpassen müssen.

Die beiden großen Favoriten für die diesjährige WM hören auf denselben Vornamen. Starten wir beim Jüngeren der beiden, Luke Littler…

Die Nummer vier der Welt in seinem Debütjahr, das ist unglaublich. Er hat zehn Turniere gewonnen. Er und Luke Humphries können bei der WM nicht im Finale aufeinandertreffen, begegnen sich bereits im Halbfinale, sollten beide so weit kommen. Littler ist von einem anderen Stern. Der hat in seinen letzten 17 Partien 15-mal einen Average von über 100 Punkten gespielt. Was Littler für einen Standard hinlegt, mit welcher Leichtigkeit er auch mal 112 Punkte im Average spielt, ist Wahnsinn. Das war vor zehn Jahren die komplette Ausnahme auf dem Circuit. Er spielt das teilweise täglich, unfassbar. Er hat Darts auf ein anderes Level gebracht, auch was Sponsorenverträge angeht. Littler ist 17 Jahre alt und verhält sich wie ein 57-Jähriger. In England ist er regelmäßig in Unterhaltung-Shows zu Gast, es herrscht ein riesiger Hype um ihn.

Doch da gibt es noch Luke Humphries, amtierender Weltmeister und die Nummer Eins der Welt. Ist er genervt von dem Hype um Littler oder froh, dass er nicht allein im Rampenlicht steht?

Ich halte Luke Humphries für einen sehr reflektierten Typen. Nach der WM hat der glaube ich gedacht: Nimm ruhig den Ruhm mit, ich habe eh genug zu tun. Aber die Duelle gegen Littler will er unbedingt gewinnen, hat ihn neulich auch im Finale der Players Championship Finals – der WM-Generalprobe – geschlagen. Das war wichtig für ihn. Der weiß auch, dass diese Rivalität die nächsten Jahre bestimmen könnte.

Von den größten Spielern der heutigen Zeit kommen wir nun zum Größten aller Zeiten. Sie durften Phil „The Power“ Taylor kennenlernen, nehmen Sie uns mit…

Phil Taylor ist ein echtes Schlitzohr. Wenn ich mit ihm essen war, hat er immer von seiner Lebens-Geschichte erzählt. Dass er aus sehr armen Verhältnissen kam, seine Familie früher die kaputte Heizung nicht reparieren konnte und so weiter. Er war aber jemand, der sich zurückgehalten hat. Während man mit anderen Spielern abends an der Hotelbar noch ein Bier getrunken hat, war Taylor auf seinem Zimmer, sehr zurückgezogen. Er hatte auch eine gewisse Verantwortung. Taylor hat diesen Sport in das Profi-Dasein gebracht. Er war immer der Botschafter, das Aushängeschild. Er kommt aus seiner Rolle nicht raus: der kleine Junge aus Stoke-on-Trent, der mit Ende 20 merkte, wie gut er Darts spielen kann – und anschließend zum Volkshelden wurde.

Zum Abschluss die Frage aller Fragen: Wer gewinnt die Darts-WM 2025?

Ich glaube, dass Humphries den Titel verteidigt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Michael van Gerwen, Peter Wright oder Gerwyn Price – die alle in einer Krise stecken – auf einmal um die Ecke kommen und die WM gewinnen, das glaube ich nicht. Gary Anderson ist mein Geheimfavorit, wenn man das von einem zweimaligen Weltmeister überhaupt sagen kann. Er kann sich in so eine WM reinspielen, weiß, wie man auf dieser Bühne gewinnen kann – ein wichtiger Faktor. Ich glaube nicht, dass Littler die WM gewinnen wird, ihn könnte es auch schon etwas früher erwischen. Wir werden sehen, ob ich Recht behalte (lacht).


INTERVIEW:

MARCO BLANCO UCLES

Artikel 4 von 11