Die Reportage am Sonntag bei ProSieben wird man anschauen müssen. Obwohl der Titel „Tricksen, Schummeln, Täuschen“ vermuten lässt, dass die Enthüllung keine ultimative Beweislast hat, denn der Straftatbestand des Betrügens wird nicht explizit benannt. Aber das Thema ist eines, das man nicht ignorieren sollte: „Das Millionengeschäft mit den Fußballtalenten.“
Konkret geht es um Youssoufa Moukoko, der in den Medien schon bejubelt wurde, als er als 14-Jähriger in der Dortmunder A-Jugend Torrekorde aufstellte. Der deutsche Profifußball senkte für ihn die Profi-Altersgrenze auf 16, mit 18 stand er im WM-Kader in Katar. Schon damals gab es eine Geschichte im Spiegel, die sein Alter anzweifelte, eine gerichtliche Auseinandersetzung dazu gewann Moukoko, der mittlerweile auf Leihbasis in Nizza spielt und offiziell vor Kurzem 20 geworden ist. Doch nun gibt es eine eidesstattliche Erklärung des bislang für Moukokos leiblichen Vater gehaltenen Mannes, dass er und seine Frau nicht die wahrhaften Eltern seien. Für Youssoufa habe man zur Passerteilung bei der Deutschen Botschaft in Kamerun eine gefälschte Geburtsurkunde vorgelegt. Moukoko wäre demnach kein 2004er-, sondern ein 2000er-Jahrgang. Und nicht 20, sondern 24.
Nun steht also eine Aussage im Raum, die einer vorangegangenen des Kronzeugen widerspricht – das muss man bedenken. Zu klären wäre, an welcher Stelle Schaden entstanden ist: Im Jugendfußballbereich hätte eine massive Wettbewerbsverzerrung stattgefunden, auch die derzeit laufende U21-EM-Qualifikation müsste überprüft werden. Für die Spiele der Erwachsenen wäre es egal, wie alt Moukoko ist. Zum Glück hat es rund um ihn noch keinen (Ver-)kaufsdeal gegeben, denn an dieser Stelle würde es zu berechtigten Regressforderungen kommen. Denn der Marktwert eines jungen Fußballers wird bestimmt durch die Vision, die Fantasie, die sich mit ihm verbindet. Er ist eine Wette auf die Zukunft. Nur wäre bei einem vier Jahre älteren Moukoko viel weniger Zukunft und Raum für Wertsteigerung übrig.
Unabhängig davon, wie die Sache im konkreten Fall Moukoko ausgeht: Der globalisierte Talentehandel ist anfällig für Manipulation. Wer will mit sicherem Auge das Alter eines heranwachsenden Menschen bestimmen können? Und würde ein Verdacht es rechtfertigen, entwürdigende Untersuchungsmethoden anzuwenden?
Und schließlich, wenn alles stimmen sollte, was nun im Raum steht: Wie ergeht es Youssoufa Moukoko bei all dem? Wäre er Opfer, missbraucht von skrupellosen Geschäftemachern? Käme mit der Reife und dem Wissen eine Täterverantwortung hinzu? Oder kommt man aus solch einer Geschichte irgendwann nicht mehr heraus? Der Fall wäre vor allem eine menschliche Tragödie. Guenter.Klein@ovb.net