„Ich muss das sacken lassen“

von Redaktion

Aus der Schule in die Königsklasse: FCB-Shootingstar Sehitler im Interview

Mittendrin: Jung-Star Alara Sehitlerist angekommen beim DFB und FC Bayern. © Ulmer/Imago

Alara Sehitler hat bei den Frauen des FC Bayern den Durchbruch geschafft und starke Leistungen gezeigt. Belohnt wurde die Offensivspielerin mit dem Debüt im DFB-Team nur zwei Tage nach ihrem 18. Geburtstag. Im Interview spricht Sehitler vor dem abschließenden Gruppenspiel beim FC Arsenal (Mi., 21 Uhr) über die Doppelbelastung Profi-Fußball und Schule, ihre Stärken und Ziele sowie Florian Wirtz als Vorbild.

Alara Sehitler, seit Anfang Oktober kommen Sie bei den Bayern-Frauen zum Einsatz, Ende November folgte bereits das Debüt für die Nationalmannschaft. Während Sie beim DFB-Team waren, haben Sie Ihren 18. Geburtstag gefeiert. Wie haben Sie das alles verarbeitet?

Es ist wirklich extrem viel passiert. Ich glaube, ich habe es noch gar nicht so richtig realisiert. Zuerst habe ich das Tor zum 3:2-Sieg in Leverkusen geschossen, dann stand ich das erste Mal beim FC Bayern in der Startelf. Dann die Nationalmannschaft, mein 18. Geburtstag und jetzt auch noch mein erstes Tor in der Champions League. Es war keine echte Pause dazwischen, in der ich drüber nachdenken hätte können, was hier eigentlich gerade abgeht. Deswegen freue ich mich umso mehr auf die Winterpause und hoffe, dass ich das dann alles sacken lassen und verarbeiten kann.

Ihr erster Treffer in der Champions League war das 4:0 gegen Juventus Turin am vergangenen Donnerstag, ein traumhafter Schuss in den Winkel. Am nächsten Morgen mussten Sie in der Schule eine Englisch-Klausur schreiben. Wie ist es gelaufen?

Das gehört dazu, und es war gut, dass wir das frühe Spiel hatten und nicht erst um 21 Uhr gespielt haben. Deswegen war ich beizeiten daheim, ich bin aber trotzdem erst relativ spät eingeschlafen. Ich habe noch Nachrichten beantwortet und mit meinen Eltern telefoniert, die zuvor auch im Stadion waren. Die Klausur lief aber gut, ich konnte alles beantworten.

Gegen Leverkusen haben Sie am Sonntagabend in der 90. Minute den Siegtreffer erzielt. Wie haben Ihre Mitschüler reagiert, als Sie am Montag wieder in der Schule saßen?

Das war eine krasse Erfahrung. Wir sind aus Leverkusen mit dem Bus zurückgefahren und waren erst sehr spät wieder zu Hause. Während der Busfahrt habe ich sehr viele Nachrichten bekommen, auch Glückwünsche von meinen Klassenkameraden. Das ist natürlich schön, wenn meine Mitschüler meine Spiele verfolgen. Ich gehe auf die Fachoberschule in eine spezielle Sportlerklasse, weshalb ich für Spiele freigestellt werden kann. Am nächsten Tag muss man trotzdem raus, egal wie spät man heimgekommen ist.

Wie bekommen Sie Schule und Profifußball unter einen Hut?

Es klappt alles gut. Ich verpasse beim FC Bayern meistens nur das Regenerationstraining, bin sonst fast immer dabei. Letztes Jahr war es noch deutlich komplizierter, weil ich ein Praktikum machen musste. Im Frühjahr mache ich mein Fachabitur, dann kann ich mich erst mal voll auf den Fußball konzentrieren.

Wie würden Sie Ihre Stärken als Fußballerin beschreiben?

Ich würde mein Spielverständnis und meine Spielübersicht nennen. Und damit verbunden, dass ich eventuell Pässe spielen kann, die nicht die offensichtlichen sind. Daran arbeite ich zumindest viel und versuche mich zu verbessern. Mein Torabschluss zählt vielleicht auch noch dazu.

Sie haben mal Florian Wirtz als fußballerisches Vorbild genannt.

Ja. Ich finde, er hat Qualitäten, die nur wenige Spieler auf der Welt haben. Er macht oft unerwartete Dinge und ist meiner Meinung nach sehr komplett.

Auf welcher Position spielen Sie am liebsten?

Im offensiven Mittelfeld, auf der Zehn. Beim FC Bayern spielen wir quasi mit drei Zehnern hinter der Mittelstürmerin und ohne echte Flügelspielerin. Es macht mir viel Spaß, dass man sich in diesem System nicht die ganze Zeit auf eine Position fokussieren muss, sondern eigentlich frei ist in dem, was man macht. Wenn die eine Spielerin mal außen ist, geht man selbst in die Mitte oder auch mal auf die Mittelstürmer-Position.

In der Offensive der Bayern-Frauen spielen Sie fast ausschließlich mit erfahrenen Nationalspielerinnen zusammen. Von wem können Sie sich etwas abschauen?

Wirklich von allen. Pernille Harder ist eine sehr komplette Spielerin, von der ich mir in vielen Bereichen etwas abgucken kann. Linda Dallmann ist technisch brutal stark. Bei Lea Schüller sind es die Abschlüsse, bei Klara Bühl die Eins-gegen-Eins-Situationen. Jede hat ihre Stärken, aus denen ich etwas lernen kann.

Sie sind im Sommer 2023 als 16-Jährige vom FV Ravensburg nach München gekommen. Wie schwierig war dieser Schritt sportlich und privat?

Sportlich war es alleine vom Trainingsumfang her eine große Umstellung. In Ravensburg haben wir drei bis vier Mal die Woche trainiert und haben dann noch ein Spiel gehabt. Ich bin in der Vorbereitung zum FC Bayern gekommen, da hatten wir teilweise zwei Trainingseinheiten an einem Tag. Das war von der Intensität her einfach ein riesen Unterschied. Ich habe mich aber relativ schnell eingefunden. Ich habe in Ravensburg bis zu meinem Wechsel mit Jungs zusammengespielt, da war das Spieltempo auch relativ hoch. Aber wie gesagt: Die Intensität ist hier um einiges höher.

Privat bin ich aus meinem Elternhaus ausgezogen. Dabei hat es mir geholfen, dass meine Eltern nur zwei Stunden von München entfernt wohnen. Wenn wir mal zwei, drei freie Tage haben, fahre ich nach Hause. Die anderen Spielerinnen haben es mir aber auch leicht gemacht und mich sehr gut aufgenommen. Ich habe schnell Anschluss gefunden.

Hinter Ihnen liegt ein außergewöhnliches Jahr 2024. Was wünschen Sie sich für das nächste Jahr?

Ich wünsche mir, dass meine Entwicklung weitergeht. Die erste Saison war gut, um in München anzukommen. Jetzt bin ich in der zweiten Saison, bekomme immer mehr Spielzeit und finde mich immer besser in das Spielsystem ein. Für das kommende Jahr hoffe ich, darauf aufbauen zu können, eventuell noch mehr zu spielen und meine Leistung bringen zu können. Wenn es die Möglichkeit gibt, würde ich natürlich auch sehr gerne wieder für die Nationalmannschaft spielen.

Ihr Vertrag läuft bis zum Sommer 2025. Sehen Sie Ihre Zukunft beim FC Bayern?

Ich fühle mich beim FC Bayern wirklich sehr, sehr wohl. Wir sind natürlich in Gesprächen.


INTERVIEW: CHRISTIAN STÜWE

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