„Die Berge sind ein Segen“

von Redaktion

Nima Rinji Sherpa hat als jüngster Mensch alle Achttausender bestiegen

Nima Rinji Sherpa plant aktuell die Winterbesteigung des Manaslu. © manish

„Hier siehst du die Schönheit der Welt“, sagt Nima Rinji Sherpa über die Berge. © manish

Shishapangma

Kangchendzönga

„Einer der schönsten Gipfel überhaupt“: Nima Rinji Sherpa am Manaslu. © Manish

„In den Bergen kann jeder sterben“, sagt Nima.

Mit 18 Geschichte geschrieben: Nima Sherpa. © manish

Wir erhaschen nur einen kurzen Blick auf Nima Rinji Sherpa, dann dreht er die Kamera: „Hier siehst du den Everest, hier den Ama Dablam, da hinten den Lhotse. Egal, wo du hinschaust, überall sind Berge.“ Nima befindet sich auf dem Namche Bazar auf 3440 Meter im Distrikt Solukhumbu in Nepal. Die Internetverbindung ist besser als an manchem Ort in Deutschland. Unsere Zeitung erreicht den nepalesischen Bergsteiger vor dem Start in eine neue Expedition, die Besteigung des Manaslu (8136m) im Winter. Nima Rinji Sherpa hat Geschichte geschrieben und als jüngster Mensch jemals alle 14 Achttausender bestiegen. Der 18-Jährige spricht mit unserer Zeitung über Magie in den Bergen, Inspiration, Risiko und den Klimawandel.

Nima Rinji Sherpa, wie haben Sie sich auf dem letzten Gipfel gefühlt? Als Sie wussten: Ich habe Geschichte geschrieben.

Mein letzter Gipfel war der Shishapangma. Ich war schon mal da, aber es ist ein großer Unfall passiert und Tenjen Lama Sherpa ist während einer Expedition gestorben. Wir mussten unseren Versuch abbrechen. Als ich den Gipfel dann endlich erreicht habe, war das ein riesiger Moment der Freude. Die letzten Jahre waren so unfassbar intensiv. Ich habe nicht geweint, ich war einfach glücklich und erlöst.

Wie gehen Sie mit dem Verlust eines Freundes um?

Um ehrlich zu sein, haben wir viele Sterbefälle in den Bergen. Es ist Teil der kommerziellen Expeditionen. Als ich den Everest bestiegen habe, war das die schlimmste Zeit. 16 Menschen sind durch eine Lawine getötet wurden. Immer, wenn ich in den Bergen bin, bekommt man von Unfällen oder Todesfällen mit. Es ist leider ein ständiger Begleiter. Der Tod von Tenjen Lama Sherpa hat mich geschockt. Vier 8000er habe ich mit ihm zusammen bestiegen. Er war eine starke Persönlichkeit, sehr bodenständig und ein Mentor für mich. Ich konnte mir nie vorstellen, dass ihm mal etwas passiert. Das hat mir noch mal klar gemacht: Egal, wie stark du bist, du kannst in den Bergen sterben. Sicherheit hat immer die höchste Priorität. Aber die Berge sind unvorhersehbar. Es gibt keine absolute Sicherheit.

Ihr erster Gipfel mit 16 Jahren war gleich ein 8000er …

Ich war immer mehr an der Fotographie und dem Filmen interessiert. Wenn ich in den Bergen war, dann meistens für Fotos. Aber hier klettert halt jeder (lacht). So wie wir Luft atmen, klettern wir auch. Irgendwann wirst du von der Leidenschaft angesteckt. Du musst 16 sein, um die Erlaubnis zum Klettern zu bekommen. Nach meinen Schulprüfungen in der 10. Klasse habe ich meinen ersten 8000er bestiegen. Es war der Manaslu, einer der schönsten Gipfel überhaupt. Das war direkt magisch.

Welche Rolle hat Ihr Vater Tashi Lakpa Sherpa gespielt? Selbst ein erfolgreicher Bergsteiger mit Rekorden …

Mein Vater war eine riesige Unterstützung. Er hat ein Unternehmen, das auf die Durchführung von Expeditionen spezialisiert ist. Er ist da einer der Vorreiter. Das sind also die besten Voraussetzungen. Er hat jeden Tag das Wetter kontrolliert, hat das Team-Management übernommen. Ich wusste, dass ich mich immer auf seine enorme Erfahrung verlassen kann.

Sie wollen auch die Sicht auf Sherpas ändern. Können Sie das Wort Sherpa für uns definieren?

Man kann Sherpas zunächst als ethnische Gruppe sehen. Jeder, der in den Bergen arbeitet, besonders in Nepal, wird auch als Sherpa bezeichnet. Dafür muss man auch nicht zur ethnischen Gruppe gehören. Es ist wie eine Marke. Tenzing Norgay Sherpa …

(Nima Rinji dreht die Kamera und zeigt auf das Denkmal von Tenzing Norgay, Erstbesteiger des Mount Everest zusammen mit Edmund Hillary)

… hat die Sherpas als Marke etabliert und bekannt gemacht. Er hat für uns den Weg geebnet. Wir folgen seinem Pfad. Wir sind aber nicht nur Begleiter, sondern auch eigenständige Athleten und Hochleistungssportler. Wir können auch unsere eigenen Projekte durchziehen. Das wollte ich der Welt zeigen.

Welche Bedeutung haben die Berge für Sie?

Berge sind die größten natürlichen Strukturen, die wir als Menschen sehen können. Sie haben eine unheimliche Macht und Magie. Sie haben die Energie, dich anzuziehen. Du willst sie besteigen, du willst Bilder von ihnen machen, du willst diese Power irgendwie erfassen. Für uns sind die Berge auch Lebensgrundlage. Ganze Dörfer leben von Wanderern. Das Wasser kommt von den Bergen und versorgt die Dörfer. Bei uns Sherpas bestimmen die Berge die Lebensweise. Jeder hat einen anderen Zugang zu den Bergen. Unser ganzes Land profitiert von und lebt mit den Bergen, es ist ein Segen.

Und in den Bergen bekommt man auch den Klimawandel zu spüren.

Wir haben keine große Industrie, die zur CO2-Emission beiträgt. Aber wir haben viele Gletscher, deshalb bekommen wir den Klimawandel mit voller Wucht zu spüren. Es gibt Dörfer, die weggespült wurden. Es verändert auch das Klettern, macht das Klettern gefährlicher. Der Schnee schmilzt, es gibt immer mehr Wetterturbulenzen. Du kannst dich nicht mehr auf den Schnee oder das Eis verlassen. Aber wir können nicht viel machen. Wir sind nur ein kleines, schönes Land. Der Wandel muss von den großen Industrienationen angestoßen werden.

Sie haben einmal gesagt, dass kein Gipfel größer als der Frieden ist.

Es ist teilweise schon surreal. Überall auf der Welt gibt es Spaltungen, Kriege und Konflikte. Wenn du in den Bergen unterwegs bist, ist es so friedlich. Du stehst ganz oben, schaust über die Gipfel und bekommst nichts von dem Hass mit. In den Bergen siehst du die Schönheit der Welt. Wir haben so einen schönen Planeten. Ich hoffe, dass wieder mehr Liebe unter den Menschen herrscht.

Können Sie uns mehr über die nächste Expedition verraten?

Ich möchte Ihnen eine ganz besondere Person zeigen …

(Nima Rinji Sherpa geht einige Schritte und zeigt den italienischen Extrembergsteiger Simone Moro)

Simone Moro: Ahh Nico, ich kann auch Deutsch sprechen. Das Wetter ist wunderbar, wenig Leute, das gefällt mir sehr. Alles perfekt, alles perfekt!

Nima Rinji Sherpa: Das ist ein großes und forderndes Projekt. Der Manaslu war mein erster Berg und jetzt bin ich zurück. Es ist eine Ehre, dass Simone uns gefragt hat. Im Winter ist alles viel schlimmer und härter. Aber ich fühle mich gut, weil ich mit Simone unterwegs bin. Er ist eine absolute Legende, ein Pionier.


INTERVIEW: NICO-M. SCHMITZ

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