Als Stefan Horngacher seinem Besten nach den ersten Trainingssprüngen am Samstag in Oberstdorf ins Gesicht schaute, da hat der Bundestrainer der deutschen Skispringer nichts Gutes geahnt. „Wenn du Pius kennst, dann weißt du was los ist“, sagte er. Pius Paschke haderte mit sich selbst und der Frage, wo sie denn plötzlich hin ist, die Leichtigkeit der ersten Saisonwochen.
Doch als es darauf ankam, hat der Routinier zu sich selbst gefunden. Es mag ein bisschen untergegangen sein in der erdrückenden österreichischen Dominanz am Schattenberg. Aber Paschke ist der Mann dahinter. Der gemütliche Bayer ist bei dieser Vierschanzentournee der Herausforderer von Stefan Kraft & Co. Und das wiegt vielleicht sogar schwerer als die sechs Siege, die Paschke in dieser Saison schon auf sein Konto gebracht hat.
Der 34-Jährige hat bewiesen, dass er auch auf der größten Bühne bestehen kann. Die Tournee ist eine lärmende Glitzerwelt. Selten bewegen sich die Springer so unter dem Brennglas wie in Oberstdorf. Paschke kam aus einem Formknick, der sogar bis ins Training am Schattenberg reichte. Im Wettkampf bekam er noch die Last auf die Schultern, dass nur er den verpatzten Auftritt seines erfolgsverwöhnten Teams retten konnte. Und er hat der Last standgehalten und sich neben Stefan Kraft, Jan Hörl und Daniel Tschofenig eingereiht. Sicher kein Zufall, dass es genau die Top-4 des Weltcups waren, die auch in Oberstdorf vorne lagen – wenn auch in umgekehrter Reihenfolge. Es sind die Besten der Besten und Paschke gehört dazu.
Und das ist schon eine bemerkenswerte Entwicklung für einen Athleten, der über weite Strecken seiner Karriere nicht viel mehr als ein Mitläufer war. Ein Springer, für den es schon das große Glück schien, einmal als vierter Mann in einen Mannschaftswettbewerb ,mitgenommen zu werden. Einen Sportler, den sein Verband zeitweilig nicht einmal als gut genug für den B-Kader bewertet hatte. Er hat sich durchgekämpft. Dorthin, wo er heute steht. Weil ihn der Sport der tollkühnen Flieger so sehr faszinierte. Und weil er Leute um sich hatte, die zumindest ahnten, welches Potenzial in ihm schlummert. Menschen wie seinen langjährigen Sportpsychologen Thomas Ritthaler.
Und nun ist er also ganz oben. Darf berechtigt auf größten Errungenschaften seiner Sportart hoffen. Vielleicht auf den Tourneesieg. Oder auf ein anderes Highlight, das bald folgt: Die Weltmeisterschaft in Trondheim. patrick.reichelt@ovb.net