Im Angriffsmodus: Karl Geiger sieht sich nach seinem sechsten Platz in Garmisch-Partenkirchen wieder auf Kurs in Richtung Spitze. © IMAGO
Innsbruck – Irgendwann sah Stefan Horngacher dann doch die Zeit für ein Machtwort gekommen. Der Bundestrainer der deutschen Skispringer wollte von den aufkeimenden Diskussionen um mögliche Materialschummeleien der so dominanten Österreicher bei der Vierschanzentournee nichts wissen. „Wer genau hingeschaut hat, der hat gesehen, dass die gleichen Leute vorne sind, die schon die ganze Saison vorne sind“, sagte er. Routinier Karl Geiger fand die Diskussionen sogar zum Schmunzeln. „Ich habe noch keinen Anzug gesehen, der alleine springt“, befand er, „man muss schon auch sagen: Die Österreicher springen auch einfach gut.“
Sprach`s und richtete den Blick wieder nach innen. Auf die Dinge, die bei der 73. Vierschanzentournee noch kommen, für ihn und die Kollegen. Eine zweite Halbzeit, der das Team des Deutschen Skiverbandes in den Stuben des Lanser Hotels Isserwirt betont kämpferisch entgegenblickte. Wobei Horngacher das mäßige Zwischenklassement sogar als ein bisschen hilfreich ansieht. „Wir haben unsere Ziele bislang nicht ganz erreicht“, sagte er, „aber zumindest ist der Rucksack leichter geworden“.
Und es gibt ja auch Dinge, die Mut machen. Die Formkurve zeigt vor allem bei Geiger deutlich nach oben. Nach seinem starken zweiten Versuch beim Auftakt, flog der Oberstdorf er in Partenkirchen schon im Dunstkreis des Podests. Und quittierte es mit einem Lächeln. „Sonst ging es bei mir bei der Tournee meistens abwärts – jetzt geht es aufwärts.“ Das könnte durchaus auch für Andreas Wellinger gelten. Der Ruhpoldinger, der zuletzt beharrlich mit einem technischen Problem kämpfte, brachte es beim Neujahrsspringen trotz insgesamt miserabler Windbedingungen auf Platz zehn. Und auch Geiger erkannte: „Sein Wettkampf war deutlich besser als es der Platz aussagt.“
Den Trend will man nun unbedingt fortsetzen. Ein Podium, vielleicht sogar ein Tagessieg soll her in Innsbruck und Bischofshofen. Das wäre nach dem verkorksten ersten Teil allemal versöhnlich. Wozu das dann bei der Tournee noch reichen kann, ist fürs erste Nebensache. Doch Horngacher stellt klar: „Abgeschrieben haben wir noch gar nichts.“ Das sieht auch Pius Paschke so, der als Gesamt-Sechster mit gut 14 Metern Rückstand als einziger Deutscher zumindest einigermaßen in Schlagdistanz liegt.
Klar ist allerdings auch: Markus Eisenbichler und Stephan Leyhe werden Paschke und Kollegen in Österreich keine Schützenhilfe geben können. Eisenbichler kippte beim Neujahrsspringen nach dem ersten Durchgang als 32. aus dem Wettbewerb. Leye unterlief dieses Missgeschick sogar bei beiden deutschen Stationen. Für Eisenbichler doppelt bitter, der Siegsdorfer hat an den Bergisel, wo die Tournee am Freitag (13.30 Uhr/ARD und Eurosport) mit der Qualifikation für den Wettbewerb am Samstag weitergeht, eigentlich beste Erinnerungen. Immerhin holte er auf dieser Schanze 2019 bei der Weltmeisterschaft zwei seiner drei Titel.
Doch: Der deutsche Trainerstab hatte sich bei den abendlichen Diskussionen für streng sportliche Kriterien entschieden. Womit sich im Rennen um die beiden Plätze hinter dem DSV-Toptrio wie erwartet Philipp Raimund und Felix Hoffmann durchsetzten. Letzterer hatte sich ja erst zum Jahresende mit einem Sieg im zweitklassigen Continental Cup für Höheres empfohlen und den Bundestrainer auch mit einem respektablen 25. Platz in Garmisch-Partenkirchen empfohlen. „Er hat das sehr gut gemacht“, sagte Horngacher, „und damit weitere Chancen verdient“.
PATRICK REICHELT