Null-Chancen-Tournee

von Redaktion

Kalte Dusche statt Eierlikör: Mental-Kritik an den Pleite-Deutschen

Bedient: Andi Wellinger. Pius Paschke und Stefan Horngacher (von links) . © Warmuth/dpa

Bischofshofen – Ausgelassene Party bei den Austria-Adlern, tiefer Frust bei den Deutschen: Nach der neuerlichen Pleite bei der Vierschanzentourne stellen sich für Trainer Stefan Horngacher, Pius Paschke & Co. unangenehme Fragen. Nach dem letzten Springen in Bischofshofen, bei dem Andreas Wellinger als bester DSV-Adler auf Rang neun segelte, war klar: Österreich ist das Maß aller Dinge, nur in Ausnahmen können die Deutschen die rot-weiß-rote Phalanx sprengen.

Sinnbildlich dafür das Bild nach dem Springen in Innsbruck: Österreichs Stefan Kraft schmiss im Partymobil Richtung Bischofshofen eine Runde Eierlikör und stimmte sich mit den Teamkollegen auf das historische Herzschlagfinale der Vierschanzentournee ein. Bei der deutschen Reisegruppe herrschte Stille und Ratlosigkeit: Gesamtsieg wie auch Podest bei der „Null-Chancen-Tournee“ bleiben meilenweit entfernt, der Abstand zu den alles dominierenden Österreichern riesig.

„Die genießen es im Moment. Sie haben einen extremen Flow – so wie ich vor ein paar Wochen“, sagte der fünfmalige Saisonsieger Paschke mit Blick auf die Österreicher. Der deutsche Hoffnungsträger flog zum Ende auf Platz zwölf. Der 34-jährige Münchner war als Führender im Gesamtweltcup und folglich als Mitfavorit zu den „Four Hills“ gereist, musste dort aber die Überlegenheit der ÖSV-Adler neidlos anerkennen.

Überraschend ist daher auch die Einschätzung von Bundestrainer Stefan Horngacher. „Ich bin nicht enttäuscht“, sagte er. „Sonst hätte ich seit 23 Jahren enttäuscht sein müssen.“ Der Österreicher ist Langzeit-Schwarzwälder, fühlt die schmerzende Durststrecke seit dem Triumph von Sven Hannawald 2001/02 mit. Hannawald selbst verliert dagegen allmählich die Geduld. Vom Material und Training seien die deutschen Springer auf höchstem Niveau, so der ARD-Experte, von der Mentalität her nicht. „Zu Saisonbeginn herrscht eine gewisse Leichtigkeit. Vor der Tournee wird es fester, fühlt sich schwerer an. Diesen Trend bekommen sie nicht geregelt“, diagnostiziert er: „Die Österreicher lassen die Tournee auf sich zukommen, machen überall Fotos, geben Interviews.“

Genau das ist auffällig: Auch abseits der Schanze machen die Österreicher die deutlich bessere Figur. Während Gespräche mit Deutschen mit Verweis auf die Kälte schon mal abrupt beendet werden, erzählen Kraft, Tschofenig & Co. bereitwillig über ihren Lauf. „Krafti“ dirigierte mit „Hörli“ und „Tschofi“ die Massen, flipperte mit seinen 31 Jahren wie ein Teenager herum und pfiff sich noch an der Schanze eine Lasagne rein. Trainer Andi Widhölzl rutschte auf dem Rücken den Aufsprunghügel hinab. Bei den Deutschen dagegen: bleierne Schwere statt der Leichtigkeit des Seins.

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