Eine Erkenntnis dieser 73. Vierschanzentournee war eigentlich schon zur Halbzeit gereift. Den goldenen Adler des Champions werden die deutschen Springer auch ein 24. Jahr nur aus der Ferne sehen. Neu ist: Es war kein einzelner Überflieger, der zwischen Oberstdorf und Bischofshofen davonflog – ein ganzes Team zeigte, was es heißt, im Rennen um den begehrtesten Titel neben WM und Olympia voll da zu sein.
Doch was für die Deutschen weitaus ernüchternder war als die Flugdemonstrationen der Österreicher: wie wenig man es selbst war. Wobei man Pius Paschke, der mit seinem heißen Frühwinter viele Hoffnungen geschürt hatte, noch die wenigsten Vorwürfe machen muss. Der Routinier reihte sich zum Jahreswechsel – zu jenem Zeitpunkt, an dem die Konkurrenz traditionell noch einmal aufs Gaspedal drückt – wieder dort ein, wo man ihn nach Platz zehn des Gesamt-Weltcups im Vorjahr viel eher vermuten muss.
Aber dahinter bleibt tiefe Ernüchterung. Andreas Wellinger trat mit dem Anspruch an, die Tournee zu gewinnen und stürzte genauso ins Mittelmaß wie Karl Geiger, der nach einem verheißungsvollen Neujahrsspringen in Innsbruck sogar den zweiten Durchgang verpasste. Vom tiefen Fall einstiger Siegspringer wie Stephan Leyhe oder Markus Eisenbichler ganz zu schweigen.
Fakt ist: Der Deutsche Skiverband (DSV) in Person des Trainerstabs um Stefan Horngacher hat es nicht geschafft, seine Springer zum richtigen Zeitpunkt in die beste Form zu bringen. Stattdessen verzettelte sich der DSV in Nebenkriegsschauplätzen. Zum Beispiel in das Vorhaben, seine Athleten ausgerechnet in den Tagen, in denen die Aufmerksamkeit für den Sport am größten ist, so weit wie möglich der Öffentlichkeit zu entziehen.
Noch so ein Punkt, in dem der Unterschied zu Team Austria frappierend war bei dieser Tournee. Stefan Kraft, Jan Hörl oder Daniel Tschofenig lieferten geduldig und mit einem Lächeln Interviews ab, während die Deutschen im Hintergrund im Eiltempo durch die Mixed-Zone geschoben wurden – die Begegnungszone zwischen Journalisten und Sportlern. „Wem das nicht gefällt, der darf eben nicht erfolgreich springen“, sagte Österreichs Trainer Andreas Widhölzl.
Immerhin diesem Gedanken sind die deutschen Springer bei der Tournee gefolgt. patrick.reichelt@ovb.net