„Es ist viel auf mich eingeprasselt“

von Redaktion

Biathlon-Shootingstar Selina Grotian über ihren ersten Weltcupsieg

Pfeilschnell in der Loipe: Wenn das Schießen passt, kann Selina Grotian in jedem Rennen um das Podest kämpfen. © IMAGO

Mit Hündin Nala auf Tour.

Das erste Mal ganz oben: Selina Grotian bei ihrem Weltcupsieg in Le Grand-Bornand © IMAGO/Merlen

Entspannte über Weihnachten ein paar Tage zu Hause in Mittenwald: Biathletin Selina Grotian. © Instagram

Deutschlands Biathlon-Frauen sind zurück in der Erfolgsspur – endgültig. Das liegt neben Überfliegerin Franziska Preuß – Führende im Gesamtweltcup – auch an Selina Grotian. Die 20-Jährige aus Mittenwald feierte kurz vor Weihnachten im französischen Le Grand-Bornand überraschend ihren ersten Weltcupsieg. Für unsere Zeitung nahm sich Grotian Zeit und sprach über den Erfolg in Frankreich, Selbstzweifel und gestiegene Aufmerksamkeit:

Die letzten Meter bis zum Ziel, Ihnen ist Ihr erster Weltcupsieg nicht mehr zu nehmen. Welche Gedanken schossen durch den Kopf?

Auf jeden Fall nicht, dass ich gerade meinen ersten Weltcup gewonnen habe, das habe ich bis heute nicht wirklich realisiert (lacht). Ich habe mich einfach gefreut, weiß jetzt aber auch nicht mehr jedes Detail, was nach dem Ziel passiert ist. Es war recht stressig, viele Interviews standen an. Da es kurz vor Weihnachten war, wollte jeder einfach nur heimkommen. Bis wird dort weggekommen sind, hat es aber ein paar Stunden gedauert.

Ihr Handy ist vermutlich explodiert vor lauter Nachrichten?

Es war schon viel, was da auf mich eingeprasselt ist. Gerade in Zeiten von Instagram schreiben einem einfach viele Leute. Ich habe trotzdem versucht, wirklich allen zu antworten. Die Freude über die Nachrichten hat auf alle Fälle überwogen.

Direkt nach dem Premierensieg ging es in die Weihnachtspause, Fluch oder Segen?

Doch, doch, das hat schon richtig gutgetan. Ich habe einfach mal zwei Tage gar nichts gemacht, war viel Spazieren mit meinem Hund Nala, da kann ich gut abschalten. Und was cool ist: das Wetter daheim ist herrlich, ich habe perfekte Bedingungen zum Trainieren.

Also nicht traurig gewesen, nicht auf Schalke dabei gewesen zu sein?

Nein. Es ist ein megacooles Event, keine Frage. Aber mich stressen die Reisen dann doch immer. Deshalb hätte Schalke jetzt wahrscheinlich eher Unruhe reingebracht. Die Tage daheim tun mir richtig gut. Hier gibt es ja auch genug zu erledigen, die Wohnung beispielsweise wieder auf Vordermann zu bringen (lacht).

Auf Instagram haben Sie emotionale Zeilen über das Jahr 2024 gepostet, schrieben dabei auch von Selbstzweifeln. Was oder wer ist Ihr Anker?

Da ist meine Familie enorm wichtig, mit ihr spreche ich viel darüber – da bin ich auch schonungslos ehrlich. Allerdings bin ich auch oft in mich gekehrt, versuche, Probleme mit mir selbst auszumachen.

Der Trubel um Sie wird größer und größer, wie kommen Sie damit klar?

Bislang ganz gut, muss ich sagen. Momentan bin ich mental in einer sehr guten Verfassung. Mein Bruder Tim verzweifelt wahrscheinlich schon wieder, weil ich so gelassen bin (lacht). Mit einem Mentalcoach werde ich erst nach der Saison sprechen. Es ist natürlich viel, was derzeit auf einen zukommt. Auch wenn ich durch Mittenwald laufe, werde ich häufiger erkannt. Ich bin schon stolz, dass ich so viele Leute hier in der Umgebung habe, die mich unterstützen.

Sie sind Zehnte des Gesamtweltcups, frischgebackene Weltcupsiegerin. Gehen Sie mittlerweile mit einer anderen Erwartungshaltung an sich selbst in die Rennen?

Nein, da hat sich nichts geändert. Wissen Sie: im Biathlon ist jeder Tag anders. An einem Tag läuft es super, am nächsten dann wieder beschissen – so ist es nunmal. Man weiß nie, was letztendlich rauskommt, auch wenn ich mich gut fühle im Moment. Aber ich gehe deshalb nicht mit anderen Erwartungen in den Wettkampf.

Die deutschen Biathlon-Fans sind euphorisiert aufgrund der starken Saisonleistungen bislang, nun warten die zwei Heim-Weltcups in Oberhof (9. bis 12. Januar) und Ruhpolding (15. bis 19. Januar)…

Ich hoffe, dass das Wetter mitspielt und die Bedingungen gut werden, nicht so wie letztes Jahr. Ich freue mich total auf die deutschen Fans, das war letztes Jahr schon der Wahnsinn und wird dieses Jahr hoffentlich noch krasser werden. Es ist ein Traum, vor dieser Kulisse laufen zu dürfen. Hoffentlich kann ich am Schießstand performen.

Kann man sagen, dass das Schießen über ein das Ergebnis bei Ihnen entscheidet, weil Sie sich auf der Loipe ohnehin auf sich verlassen können?

Ja, so kann man es zusammenfassen. Ich weiß, dass ich läuferisch aktuell wirklich gut in Form bin und es sich am Schießstand entscheidet, welche Platzierung für mich herausspringt. Da arbeite ich auch viel an mir, dass soll besser werden in den nächsten Rennen.

Macht es einen Unterschied für Sie, wenn die Hauptkonkurrentin – wie zuletzt in Frankreich Franziska Preuß – aus dem eigenen Team kommt?

Nein, auf der Loipe ist es letztlich egal, da sind die deutschen Athletinnen genauso Konkurrenten wie alle anderen. Dort spielt es keine Rolle, wer neben einem läuft, ich achte auf der Strecke ohnehin nur auf mich.

Das neue Jahr hat begonnen. Irgendwelche Vorsätze im Hause Grotian?

Hm, vielleicht weniger essen (lacht), gerade jetzt nach Weihnachten. Und mir auch mal wieder Zeit zum Häckeln zu nehmen, damit habe ich letztes Jahr begonnen. Ich habe vor ungefähr einem Jahr angefangen, ein Oberteil zu häckeln – das ist bis heute nicht fertig. Da ist also noch Luft nach oben (lacht).


INTERVIEW:

MARCO BLANCO UCLES

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