Hellauf begeistert: Die DSV Springer Karl Geiger, Andi Wellinger und Pius Paschke. © IMAGO
Immer noch im Springergeschäft: Goldberger. © IMAGO
Glückliches Östereich: Daniel Tschofenig, Jan Hörl und Stefan Kraft bei der ausgelassenen Titelfeier. © IMAGO
München – Er war einer der weltbesten Skispringer seiner Zeit. Dreimal gewann Andreas Goldberger den Gesamtweltcup, immerhin zweimal auch die Vierschanzentournee. Heute ist der 52-Jährige unter anderem Experte beim ORF. Mit unserer Zeitung spricht er über Österreichs Springerrausch. Macht aber auch den Deutschen Hoffnung.
Haben Sie sich schon von den Feiern erholt?
Ah, schön wäre es. Ich bin jetzt richtig krank. Jetzt habe ich schon eine Rosskur hinter mir. Heisses Bad, heißer Tee.
Aber wahrscheinlich gut gelaunt. Oder überwiegt das Mitleid für Stefan Kraft, der vor seinem letzten Sprung extrem lange warten musste?
Voll. Das hat mir brutal leid getan. Aber deppert gsagt: da kann keiner was dafür. Ich habe mir ja eh gedacht: lasst ihn doch runter. Aber wenn du den bei den Bedingungen runterlässt, dann beschweren sich 49 andere. Und so fehlen ihm dann plötzlich drei Meter. Aber eigentlich hätte eh der Hörl gewinnen müssen. Der hat zehn Punkte wegen seiner Landung verloren.
Bedingt durch die neue Regel, die den fehlenden Telemark bei der Landung härter bestraft. Eine gute Entwicklung?
Sagen wir mal so: ich kann mich langsam damit abfinden. Weil doch immer einer von den Guten da unten einen Telemark hinsetzt. Aber ich glaube, irgendwann wird es da jemanden richtig reinhauen. Gerade wenn die Schanzen kommen, bei denen da unten von Haus aus mehr Druck ist. Weil du weißt: ohne Telemark hast du keine Chance. Da kannst du auch fünf Meter kürzer springen und dir die Punkte über den Telemark holen.
Für die österreichischen Springer entschied das nur, wer von ihnen gewinnt. Die Dominanz war erdrückend und Sieger Daniel Tschofenig ist gerade 22. Keine gute Botschaft an die Konkurrenz…
(lacht) Von welcher Seite man es halt sieht. Freiwillig hinschmeißen werden die Österreicher sicher nicht. Bei den Alpinen gewinnt der Schweizer und wir jammern. Aber klar ist auch: Für einen Sport ist es immer besser, wenn man viele Nationen vorne hat. Zu viel Dominanz ist nie gut. Sieht man ja beim Langlaufen. Wenn du dauernd nur Norweger vorne hast, dann ist das fad. Aber ich glaube, das kann auch ganz schnell wieder anders aussehen. Wenn man den Wellinger oder Paschke bei der Tournee gesehen hat – die sind einfach nicht gut gesprungen. Aber da geht es um Kleinigkeiten. Das kann und wird schon bei der WM in Trondheim wieder ganz anders aussehen. Da bin ich mir sicher. Aber die Deutschen haben auch ein paar andere Fehler gemacht.
Welche?
Naja, wenn ich das höre, dass man die Sportler wegsperrt, weil die Mixed-Zone so viel Energie kostet. Das ist doch ein Blödsinn. Das sind Typen, die wollen alle raus. Wollen reden. Und das gehört doch auch dazu. Auch das haben die Österreicher besser gemacht. Das ganze Auftreten ist viel lockerer. Angefangen vom Trainer, dem ich eine solche Menschenführung echt nicht zugetraut hätte. Aber… Hundling san´s scho. Da springen sie in Engelberg schon allen davon und fahren dann nach Oberstdorf und sagen: Favoriten sind wir nicht. Das ist der Paschke.
Aber woher kommt diese Dominanz? Diskutiert wurde wieder einmal über das Material…
(lacht) die Diskussionen sind doch so alt, wie das Skispringen selber. Immer wenn einer sehr erfolgreich ist, dann ist es das Material. Bei den Norwegern gab es mal den Stöckl-Schuh, mal ist es die Bindung bei jemanden. Im Sommer hat es geheißen, die Norweger haben besondere Anzüge, weil sie so gut waren. Und jetzt sind es die Österreicher. Aber eigentlich deutet sich die starke Entwicklung hier schon seit längerem an. Das ist ein Prozess, der vor Jahren begonnen hat. Mario Stecher hat als Sportdirektor ganz neue Strukturen reingebracht. Mittlerweile sind die Athleten durch alle Kader gleichberechtigt, was Material und Trainer betrifft. Talente haben von Anfang an das beste Material, sehr gute Trainer – die Übungsleiterausbildung ist extrem gut – und die besten Trainingsmöglichkeiten. Das macht brutal viel aus. In Deutschland, das hat mir der Martin Schmitt mal gesagt, kriegst du das beste Material erst im Weltcup.
Der heutige polnische Sportdirektor Alex Stöckl sagte, es sei schwieriger, die Talente zu finden. Weil der Generation Handy die körperliche Basis durch die Bewegung in der Natur fehlt.
Das ist sicher so. Auch wenn wir in Österreich vielleicht Vorteile haben, weil es ländlicher ist. Ich bin selbst auf einem Bauernhof aufgewachsen. Mir musste der Trainer viele Übungen gar nicht erklären, weil ich sie eh schon immer selber ganz natürlich gemacht habe. Jetzt hast halt ein Handy, da weißt, wenn die Kinder das in die Hand nehmen, dann hast deine Ruhe. Aber da hängt viel an den Eltern. Ob sie das zulassen, oder ob sie sie in die Natur mitnehmen.
Sie selbst haben auch zwei Söhne. Handysüchtig oder Skispringer?
(lacht) Die sind 7 und 9 und damit auch langsam in dem Alter, wo ein Handy interessant wird. Aber wir kriegen eine ganz gute Mischung hin. Die haben beide mit dem Springen angefangen. Die wollten unbedingt. Wobei der eine auch gerne Langlauf macht, der geht Richtung Kombination. Wobei schon noch der Haaland der Favorit ist. Aber das ist wurscht, die sollen rumteufeln was geht. Egal in was.
Sie sind in der Talentsichtung aktiv. Die Erfolge dürften helfen.
Ja, das müssen wir jetzt ausnutzen, dass sich noch mehr interessieren. Wir haben jetzt wieder Schnuppertage. Da kommen zwanzig Kinder, die das einfach mal ausprobieren. Wobei wir natürlich den Vorteil haben, dass unsere Schanzen eigentlich alle sprungbereit sind. Die Deutschen müssen zum Beispiel den Deutschlandpokal in Eisenerz hier in Österreich austragen.
INTERVIEW: PATRICK REICHELT