Weigl als Youngster bei den Löwen. © Imago
Feste Größe: Weigl ist bei der Borussia aus Gladbach inzwischen unumstrittener Stammspieler. © Imago
Julian Weigl, vor dem Duell gegen den FC Bayern stehen Sie mit der Borussia auf Platz acht. Wie fällt Ihr Hinrunden-Fazit aus?
Der Start war schwierig für uns. Obwohl wir gut gespielt haben, blieben die Ergebnisse aus. Das Auftaktspiel gegen Leverkusen haben wir zum Beispiel in letzter Sekunde verloren, dadurch waren wir schnell unter Druck. Ein Wendepunkt war aber das Heimspiel gegen Bremen (4:1, Anm. d. Red): Wir haben nicht nur spielerisch überzeugt, sondern konnten seitdem endlich auch konstant Punkte sammeln. Wir sind als Mannschaft zusammengewachsen.
Mit Blick auf die Tabelle: Ist Europa das Ziel oder geht es erstmal um Stabilität?
Wir haben es nicht als offizielles Ziel ausgerufen. Natürlich sind wir ambitioniert, aber wir tun gut daran, den Fokus auf unsere eigene Entwicklung zu legen. Gerade mit unserem schweren Auftaktprogramm im neuen Jahr geht es darum, konstant unsere Leistungen zu bringen und zu Hause stark zu bleiben. Dann werden wir sehen, wo die Reise hingeht.
Durch den Sieg gegen Hoffenheim am vergangenen Spieltag hat Gladbach erstmals seit März 2022 zweimal in Folge gewonnen. Wie viel Einfluss haben solche Statistiken auf den Kopf?
Es war schon präsent, aber eher durch die Berichterstattung von außen. Mich hat es persönlich genervt, dass wir nach einem Erfolg nie nachlegen konnten. Zwei Siege in Folge können dich in der Tabelle schnell nach oben bringen, gerade wenn es so eng ist wie aktuell. Vor dem Hoffenheim-Spiel haben wir das nicht direkt thematisiert – aber es war klar, dass es nun Zeit war, diese Serie endlich zu beenden.
Gefühlt werden die Trends im Fußball immer schneller: Zwischen Abstiegskampf und der Jagd auf Europa lagen bei Ihnen nur ein paar Spiele. Wie gehen Sie damit um?
Mich überrascht das nicht mehr. In meiner Karriere gab es immer hohe Erwartungen – ob bei 1860 München, Borussia Dortmund oder Benfica. In Lissabon war manchmal selbst ein Sieg nicht genug, da wurde auch die Art und Weise bewertet. Auch bei Sechzig war man an einem Tag der Held und direkt danach wieder der Depp. Wichtig ist, sich von diesen Trends nicht beeinflussen zu lassen. Wir wissen, dass noch harte Wochen auf uns zukommen.
Sie haben in Ihrer Karriere viele Extremsituationen erlebt: Jüngster Kapitän bei 1860, der Anschlag auf den BVB-Bus, die EM 2016 in Frankreich, später das Abenteuer bei Benfica. Wie verarbeiten Sie all das?
Ich habe ein stabiles Umfeld, das mir Halt gibt. Meine Familie ist mein Ruhepol, das ist wichtig in diesem Geschäft. Außerdem habe auch ich mal professionelle Hilfe in Anspruch genommen, um einen anderen Blick von außen zu bekommen. Das hat mir sehr geholfen. Für mich ist es wichtig, eine Balance zu finden – Fußball ist schließlich auch nur ein Teil des Lebens. Ein Sieg sollte einen nicht abheben lassen, eine Niederlage nicht komplett runterziehen.
Sie berichten immer wieder offen über ihr Leben als Profi und gelten für viele Fans als nahbar. Warum schotten sich andere Profis so sehr ab?
Vielleicht, weil man sich angreifbar macht, je mehr man von sich preisgibt. Unser Leben ist ohnehin stark durchleuchtet. Ich verstehe, wenn manche Kollegen da vorsichtiger sind. Gefühlt ist man nie mehr richtig privat. Selbst wenn man in den Supermarkt geht, wird man erkannt – und aus allem kann eine Schlagzeile werden. Wirklich zurückziehen kann man sich eigentlich nur noch zu Hause.
Warum haben Sie sich anders entschieden? In ihrem eigenen Podcast haben Sie oft sehr private Einblicke gegeben.
Ich habe keine großen Probleme damit, den Fans auch andere Seiten des Profigeschäfts zu zeigen, die sich viele gar nicht vorstellen können. Wir Fußballer sind schließlich auch keine Maschinen. Auch bei einem Wechsel laufen privat viele Dinge anders ab als erwartet. Als ich nach Lissabon geflogen bin, konnte ich vorher nicht nochmal nach Dortmund zurückehren, meine Frau musste sich um alles allein kümmern. Das war kein schönes Gefühl und eine echte Herausforderung. Trotzdem ist es manchmal auch für mich schwierig, sich als Profi authentisch zu zeigen.
Wieso?
Man muss aufpassen, was man teilt. Manchmal hat man auf das Erscheinungsdatum keinen Einfluss. Wenn man am Wochenende verliert, gleichzeitig aber eine Podcastfolge erscheint, heißt es schnell: „Der soll sich auf Fußball konzentrieren.“
Haben Sie das Interesse der Öffentlichkeit zu Beginn unterschätzt?
Als 16, 17-Jähriger hast du nur den Traum, Fußballprofi zu werden. Die Begleitumstände kann man da noch gar nicht begreifen. Ich weiß noch gut, wie mich zum ersten Mal in der Straßenbahn in München jemand erkannt hat. Das habe ich direkt stolz meiner ganzen Familie erzählt. Was für ein Gefühl! Nach den ersten Länderspielen hat es aber Ausmaße angenommen, bei denen man deutschlandweit erkannt und angesprochen wurde. Ab diesem Moment kann man es nicht mehr aufhalten. Da muss man reinwachsen und einen Weg finden, seine Privatsphäre zu wahren – und trotzdem respektvoll zu allen Fans zu sein, die mich treffen.
Haben Sie diesen Weg gefunden?
Ich hatte mich daran gewöhnt. Schwierig wurde es erst in Lissabon, als meine Tochter geboren wurde. Da haben auf einmal Leute angefangen, uns auf dem Spielplatz zu filmen. Eigentlich ein total privater Moment. Ich konnte diesen Menschen nur sagen, dass wir unsere Kinder aus der Öffentlichkeit halten wollen – man hat aber keine Kontrolle mehr darüber. Das ist kein schönes Gefühl. Deshalb würde ich nie mit einem Cristiano Ronaldo oder Lionel Messi tauschen wollen. Ich habe das in Lissabon mitbekommen: Wenn Ronaldo in Portugal war, konnte er sich nicht mehr frei bewegen.
Zum Spiel am Samstag: Wie gehen Sie die Partie gegen Bayern an?
Wir haben extrem Bock auf das Spiel. Ein Top-Gegner bei uns zu Hause, das Stadion wird brennen. Wir wollen die Euphorie und die Heimstärke der letzten Wochen mitnehmen, wissen aber um die brutale Qualität von Bayern. Jeder muss über sich hinauswachsen, um eine Chance zu haben. Das ist genau der richtige Gegner, um direkt wieder voll reinzustarten.
INTERVIEW:
VINZENT TSCHIRPKE