Die Mär vom Spitzenteam

von Redaktion

Daten offenbaren: EHC München überschätzt sich – Starzugang Rieder punktet nicht mehr

Max Kaltenhauser mit Ben Smith (r.). Der verletzte Stürmer ist derzeit Assistenzcoach. © IMAGO

Frustrierendes Spiel in Schwenningen: Andi Eder nach einem weiteren Gegentreffer. © IMAGO

München – Auf der Bus-Heimreise vom Auswärtsspiel in Schwenningen erreichte die Mannschaft des EHC Red Bull München die einzige aus ihrer Sicht gute Nachricht des Sonntags: Trotz der 0:6-Klatsche blieb ihr Platz fünf in der Tabelle der Deutschen Eishockey Liga (DEL) erhalten. Denn im Abendspiel blamierten sich auch die Adler Mannheim, die an München hätten vorbeiziehen können, sie verloren in Nürnberg 1:4; es war ihre sechste Niederlage in Folge.

Doch dass auch andere leiden, kann kein Trost sein für einen Club, der für sich stets die höchsten Ziele formuliert. Der EHC München hat gut zwei Drittel der Hauptrunde hinter sich, realistisch ist eine Platzierung zwischen vier und sechs, es kann jedoch auch der siebte Rang werden und nur der Zutritt zu den Pre-Playoffs. Denn in der Münchner Mannschaft, von der die Hälfte 2023 noch den Meistertitel feierte, liegt einiges im Argen.

Regelmäßig misslingen Spiele. Gerne wird dann von Spielern und Verantwortlichen geäußert, das Ergebnis würde nicht dem Spielverlauf entsprechen. In den Erzählungen ist der EHC München immer die talentiertere, die bessere Mannschaft – der nur das Glück fehlt. Häufiger Satz: „Es müssen nur mal die Scheiben reinfallen“. Doch die statistischen Daten, die die Liga erhebt, untermauern diese These nicht. Die Resultate, die der EHC erzielt, liegen nicht weit entfernt von den „Expected Goals“ und dem Gegenpart, den erwarteten Gegentoren. Laut Chancenbewertung hätten die Münchner 110,68 Tore erzielen müssen – es sind 107. Gegentreffer kassierten sie 100 – statt der errechneten 94,57.

Christian Winkler, der Sportchef, spricht vom „Top-Kader, von dem wir überzeugt sind“. Eine Einschätzung, die selbst Hardcore-Fans nur bedingt teilen. Von den Spielern, die Winkler für diese Saison verpflichtet hat, steht nur Stürmer Taro Hirose außerhalb der Kritik. Wenig indes ist zu sehen von Tobias Rieder, der in der NHL mal ein begehrter Spieler war und auch in den vergangenen drei Jahren in Schweden gute Leistungen zeigte. Der Landshuter überzeugte in München mit sechs Toren und sieben Vorlagen in den ersten 13 Spielen. Seine Bilanz aus den folgenden 20 Partien: ein Tor, zwei Assists. Seit einer Anfang November erlittenen Gehirnerschütterung, die drei Wochen Pause nach sich zog, ist Rieders Lauf dahin.

Seinem Anspruch wird der EHC auch auf der Bank nicht gerecht. Vor zwei Jahren amtierte dort noch Don Jackson, der erfolgreichste Trainer der DEL-Geschichte, ihm zur Seite stand Steve Walker, der nun im zweiten Jahr bei den Schwenninger Wild Wings wirkt und 2024 als DEL-Trainer des Jahres ausgezeichnet wurde. Max Kaltenhauser, seit Oktober 2024 Chef, ist in der Mannschaft beliebter als sein Vorgänger Toni Söderholm, weil er die Leine lockerer hält – doch vom sportlichen Ertrag hat sich nichts geändert. Neben dem stillen Arbeiter Pierre Allard (noch übrig aus der Jackson-Ära) steht seit einigen Wochen der langzeitverletzte Spieler Ben Smith im Anzug mit an der Bande. Es ist eher ein Praktikum als eine ernsthafte Lösung.

Fragen stellen muss man auch nach dem konditionellen Zustand der Truppe. Für die Fitness wurde der aus dem alpinen Skisport stammende Österreicher Thomas Aufschnaiter geholt. Doch der EHC bricht meist im letzten Drittel ein, da stehen bei ihm 37:45 Tore zu Buche. Die wahren Spitzenteams Ingolstadt (Tordifferenz +25), Berlin (+15) und Bremerhaven (+13) können gegen Ende aufdrehen.

Andi Eder hat in Schwenningen ein Alarm-Interview gegeben („Ein Skandal, wie wir aufgetreten sind“), das Rückschlüsse auf Verstimmungen im Kader zulässt. Max Kaltenhauser kündigte an: „Wie wir uns nach dem 0:4 präsentiert haben, darüber müssen wir intern reden.“ Das nächste Spiel ist am Donnerstag in Augsburg. Erfolgt eine Reaktion? „Hoff ma’s“, sagte Eder.
GÜNTER KLEIN

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