Der EHC ist sich selbst ein Rätsel

von Redaktion

Zweitschlechtestes DEL-Team im Januar: Können die Münchner die Saison noch retten?

Die Mienen sprechen Bände bei den Münchnern Lancaster, Hager und DeSousa (v.l.). © Red Bull/city-Press

München – Der Spott ergoss sich über dem EHC Red Bull München von beiden Seiten. Die 600 im Sonderzug angereisten Fans der Düsseldorfer EG verhöhnten mit ihren Sprechchören den in ihrer Stadt geborenen und aufgewachsenen EHC-Torhüter Mathias Niederberger und feierten noch „Münchens wahre Liebe AEV“, obwohl Augsburg ihr Hauptrivale im DEL-Abstiegskampf ist. Und vom eigenen Anhang bekamen die Münchner Spieler Pfiffe und Vorwürfe, nicht gekämpft zu haben, zu hören, auch ausgestreckte Mittelfinger wurden ihnen nach der 1:4-Niederlage gegen die DEG, den Tabellen-Dreizehnten, gezeigt. Es war ein ungewöhnlich emotionaler Eishockey-Nachmittag im SAP Garden – vor allem ein unerwarteter, weil der EHC doch die Lehren aus dem 0:6 in Schwenningen die Woche davor gezogen zu haben schien und am Donnerstag in Augsburg einen 5:4-Sieg erzwungen hatte. Doch nun: Schwenningen reloaded, nur eben in einem Heimspiel. Noch schlimmer.

Die schlichte Erkenntnis: Der EHC München ist weit entfernt von seinem Ziel, Deutscher Meister zu werden. Zwar weist Kapitän Patrick Hager darauf hin, „dass wir doch alle wissen, welche Geschichten der Eishockeysport schon geschrieben hat“ – schließlich war er selbst an einer solchen beteiligt, im Jahr 2014: Mit dem ERC Ingolstadt von Platz neun aus in die Pre-Playoffs gestartet und den Titel geholt. Doch wenn es einen Zeitplan gibt, der den Prozess eines Anlaufs auf das höchste Ziel regelt, dann ist der EHC ihm ziemlich hoffnungslos hinterher. „Du musst jetzt die Details in deinem Spiel fixiert haben“, meint Sportchef Christian Winkler. Doch die Realität der Gegenwart ist: In einer Tabelle aus den Januar-Spielen ist München Vorletzter mit 1,16 Punkten pro Partie und 14:23 Toren. Und die vollständige Tabelle sieht so aus, dass der EHC sich einen der ersten drei Plätze abschminken kann, wohl auch den Vierten Mannheim (mit dem Neuzugang Austin Ortega, langjähriger Münchner) nicht mehr überholen wird und ein waches Auge auf seine Verfolger Köln und Straubing werfen muss.

„Die Tabelle lügt nach dieser Länge der Saison nicht“, räumt Hager ein. Dennoch erwecken die Protagonisten des EHC München den Eindruck, sich für wesentlich besser zu halten, als das Ranking der Liga und die Statistiken es aussagen. Schwankungen nimmt Trainer Max Kaltenhauser auch bei anderen Teams wahr, „doch wir haben die Begabung, dass sie bitterböse bestraft werden. Mir fallen wenige Spiele ein, bei denen wir schwach waren, aber gewinnen“. Patrick Hager sagt: „Wir lassen es immer wieder aufblitzen, dass wir eine Spitzenmannschaft sind.“ Das sei der Fall, „wenn wir gut anfangen und unseren Spielweg nicht verlassen“. Jedoch: „Oft fangen wir gut an, und es kommt der Cut. Manchmal erholen wir uns davon und kommen zurück, manchmal nicht.“ Die fünf Mann auf dem Eis funktionieren nicht als Einheit. Der EHC ist sich selbst ein Rätsel. Was er weiß: Ein Erlebnis wie in Augsburg ist nicht befreiend genug. Hager: „Wenn es so einfach wäre, dass du dir das Selbstvertrauen in 48 Stunden holst und unbesiegbar bist…“ Ist es nicht. Im Spiel gegen Düsseldorf sah er „die Geschichte der Saison“ gespiegelt.

Was tun? Max Kaltenhauser plädiert dafür, die Lage mit „professionellem Blick zu betrachten, uns nicht immer nur auf das letzte Spiel zu beziehen. Wir waren auch nach dem Augsburg-Spiel nicht Weltmeister“. Hager sieht die Mannschaft „in einem Prozess. Wir müssen daran arbeiten, dass wir die Spiele im System strukturierter bestreiten und nicht den Faden verlieren. Hausaufgaben machen!“

Der EHC hat nun drei Auswärtsspiele: in Berlin, Wolfsburg, Köln. Vielleicht besser so. Spott ist dann allenfalls von einer Seite zu erwarten.
GÜNTER KLEIN

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