Schwer zu halten: Dänemarks Mathias Gidsel im Olympiafinale gegen Deutschland. © IMAGO/Sanson
Das erste Ziel ist geschafft: Das Team von Bundestrainer Alfred Gislason steht in der WM-Hauptrunde. © IMAGO/Wiedensohler
David Späth und Justus Fischer (re.) nach dem Sieg über Tschechien.
Herning/München – „Adler flieg“ – lautet der Motivationsspruch der deutschen Handballer. Im ersten WM-Hauptrundenspiel heute gegen Übermannschaft Dänemark (20.30 Uhr, ARD) wird sich zeigen, ob der Höhenflug nach drei Siegen in der Vorrunde (über die europäischen Mittelklasse-Teams Polen, Schweiz und Tschechien) anhält oder ob es eine vorübergehende Bruchlandung gibt. Doch selbst bei einer Niederlage stehen die Viertelfinal-Chancen gut. Eine Vorschau-Rückblick-Analyse.
Olympia-Revanche:
Der Mitgastgeber strebt den vierten WM-Titel hintereinander an und ist seit 31 (!) WM-Spielen ungeschlagen. Im Olympiafinale vor einem halben Jahr putzte die Truppe von Coach Nikolaj Jacobsen (53) das DHB-Team mit 39:26. „Wir haben eine Rechnung offen und die Rechnung ist riesig. Wir wollen die 15.000 in der Halle zum Schweigen bringen“, kündigte Kreisspieler Justus Fischer (21) selbstbewusst an. Sein Boss äußerte sich zurückhaltender. Es sei „nur ein Handballspiel“, so Bundestrainer Alfred Gislason (65): „Wir werden versuchen, das besser zu machen als bei Olympia und schauen, was das bringt.“ Vor einem Jahr bei der Heim-EM führt der DHB im Halbfinale zu Hause mit 14:12, verlor aber am Ende mit drei Toren (26:29). Den letzten Sieg gab’s 2016 in einem Testspiel (33:26).
Gidsels Kampfansage:
47:22 gegen Algerien, 32:21 gegen Tunesien und 39:20 gegen Italien – Dänemark hat bisher alle Gegner aus der Halle geschossen. Wenngleich darunter auch kein Spitzenteam war. Top-Star ist Mathias Gidsel von den Füchsen Berlin. Er macht keinen Hehl daraus, wie wichtig ihm das Prestige-Duell ist. „Fast alle in unserem Team spielen in der Bundesliga. Wir wollen nach Deutschland zurückkehren und sagen: Wir haben Deutschland geschlagen“, kündigte der 25-Jährige an und schickte eine Kampfansage hinterher: „Hier in Herning sind wir schwer zu schlagen“.
Licht und Schatten:
Zur Halbzeit gegen Tschechien machten die deutschen Spieler sarkastisch schon selbst Witze über die immer schwache Anfangsphase. Das Problem: Beginnt man heute so schläfrig, dürfte das Spiel nach 30 Minuten entschiede sein. Die individuelle Klasse ist unbestritten hoch, aber die Lockerheit fehlt bisher. Ein weiteres Problem: die Siebenmeter-Ausbeute. Marko Grgic, Lukas Zerbe und Timo Kastening vergaben, ehe Juri Knorr endlich verwandelte. „Die Quote ist ein bisschen ausbaufähig bei allen“, so Gislason. Die Kennzahlen der deutschen Torhüter Andreas Wolff (Retter gegen die Schweiz) und David Späth (überragend gegen Tschechien) sind mit etwa 40 Prozent gehaltener Bälle hingegen sehr gut. Zur Wahrheit gehört aber auch: Dänemarks Emil Nielsen liegt bei 45 Prozent. Nach seinem Vorgänger Niklas Landin, Welthandballer 2019 und 2021, fragt keiner mehr.
Turnierbaum:
Die weiteren Hauptrundengegner Tunesien und Italien sind aus DHB-Sicht definitiv schlagbar. Spätestens im Viertelfinale wird‘s dann knifflig. Aller Voraussicht warten Schweden, Spanien oder die aufstrebenden Portugiesen, die am Sonntag Norwegen (31:28) locker im Griff hatten. In einem möglichen Halbfinale würde – den Turnierbaum verstehe, wer will – vermutlich erneut Dänemark drohen.
Und sonst:
Zwei Gastgeber stehen gehörig unter Druck. Kroatien (24:28) nimmt nur zwei Punkte in die Hauptrunde mit, Norwegen gar keinen. „Wir haben jetzt ein Messer am Hals für den Rest der WM“, sagte Superstar Sander Sagosen.
MATHIAS MÜLLER