Jamal Musiala – Makaay hätte gerne mit ihm gespielt. © Weller/dpa
Ausrufezeichen: Gegen City machte Feyenoord aus einem 0:3 noch ein 3:3. © IMAGO/Langer
Roy Maakay 2010 bei seiner Verabschiedung im „De Kuip“ in Rotterdam © IMAGO
München – „Ganz entspannt“, da ist sich Roy Makaay sicher, wird er am Mittwoch (21 Uhr) im „De Kuip“ sitzen. Auf einen seiner beiden Ex-Vereine Feyenoord Rotterdam und FC Bayern hat er nicht getippt, weil es sowieso egal ist. Denn der 49-Jährige sagt: „Ich kann an diesem Abend nicht verlieren.“ Im Interview blickt der einstige Bayern-Stürmer auf die Partie, für die er von daheim exakt zehn Minuten Fahrtweg einrechnet.
Herr Makaay, man hat bei Bayern den Eindruck, dass die Siege in Rotterdam und gegen Bratislawa schon fest eingeplant. Ist das clever?
Natürlich wollen die Bayern diese Gruppenphase mit zwei Siegen abschließen, dann sind sie sicher unter den ersten Acht. Und wenn sie die Leistung abrufen, die sie 2025 bisher gezeigt haben, ist ein Sieg wahrscheinlich. Trotzdem sollte man Rotterdam nicht unterschätzen, vor allem aufgrund der Stimmung im Stadion. Bayern muss vorlegen, damit das Publikum Ruhe gibt. Das weiß ich aus eigener Erfahrung.
In der Tabelle ist Rotterdam ja auch nur zwei Punkte hinter Bayern.
Das stimmt, aber davon sollte man sich nicht blenden lassen. Für Feyenoord war es wichtig, das letzte Spiel gegen Prag zu gewinnen, um zehn Punkte sicher zu haben. Damit ist man schon mal unter den ersten 24. Da sieht man klar den Unterschied: Bayern will unter die ersten Acht kommen, Feyenoord irgendwie in die Play Offs.
Gegen ManCity hat Feyenoord ein 0:3 aufgeholt – war das eine Warnung an die nächsten großen Gegner?
Auswärts war Feyenoord bisher oft überragend. Aber zuhause haben sie Probleme. Die Niederlagen gegen Leverkusen und Salzburg waren beste Beispiele. Trotzdem sollte Bayern nicht denken, dass 90 Prozent in Rotterdam reichen. Dann wird es schwierig.
Mit 14 Toren hat Rotterdam immerhin die viertbeste Offensive der Königsklasse.
Deswegen bin ich auf das Duell mit Bayern wirklich gespannt. Feyenoord ist eine Mannschaft, die gerne von hinten raus Fußball spielt. Aber ob es die Möglichkeit gibt? Bayern verteidigt unter Vincent Kompany fast 1:1 auf dem ganzen Platz, mit viel Druck nach vorne. Die Frage ist, ob Feyenoord trotzdem aufbaut oder doch weniger Risiko eingeht. Das Pressing von Bayern ist schon sehr beeindruckend. Und die Offensivspieler auch eine Liga besser, das darf man nicht vergessen.
Sie kennen die Allianz Arena, Sie kennen das „De Kuip“ – Hand aufs Herz: Wo sind Sie lieber?
Beide Orte sind komplett unterschiedlich, ich lieb beide. Wer noch nie hier war, kann sich aber wirklich auf das „De Kuip“ freuen. Die Fans hier sind treu, begeistert, ausdauernd. In solchen Abendspielen ist bis zur letzten Sekunde Stimmung, die Zuschauer sind unglaublich nah am Platz. Und je länger das Spiel spannend ist, desto mehr rücken die Fans hinter die Mannschaft. Das wird dann sehr, sehr laut.
Wir kennen die niederländischen Fans von der EURO – dazu ihren Tanz „nach links und rechts“. Wird es ähnlich lustig?
(lacht) Das wird hier eher nicht gesungen. Hier geht es um Vereinstreue, um feste Fangesänge. Ich erinnere mich noch gut an ein Spiel, in dem wir gegen Enschede gespielt haben. Die haben uns her gespielt. Kurz nach der Pause hat einer meiner Mitspieler ein heftiges Foul gemacht, und als sich der Gegner beschwert hat, waren 50 000 Zuschauer gegen ihn. Am Ende haben wir 3:1 gewonnen. Viele hier in Holland sagen: Wenn du im „De Kuip“ das Publikum ruhig bekommen hast, musst du auch dafür sorgen, dass es ruhig bleibt.
Erfahrungen, die Sie am Ende Ihrer Karriere in Rotterdam gemacht haben. Wo stand die niederländische Liga damals, wo steht sie heute im internationalen Vergleich?
Man merkt, dass der monetäre Unterschied immer größer wird. In Rotterdam musst du jedes Jahr einige der besten Spieler verkaufen. Im Sommer ist der Kapitän Lutsharel Geertruida nach Leipzig gegangen, dafür müssen Eigengewächse aufsteigen. Drei, vier Spieler aus der Jugendabteilung stehen im Kader, weil die holländische Liga eine super Liga für junge Spieler ist. Schauen Sie sich mal Malik Tilmann an, wie überragend er es bei Eindhoven macht. Romario hat seine europäische Karriere hier gestartet, Cristiano Ronaldo, Nuri Sahin – sie alle haben aus Holland heraus den Sprung geschafft.
Der ehemalige Trainer Arne Slot ist jetzt in Liverpool erfolgreich. Auch ein Gütesiegel, oder?
Total. Er hat es hier gut gemacht, ist in Rotterdam Meister geworden und hat den Pokal gewonnen. Ein Jahr ist er noch geblieben, obwohl er schon umgarnt war. Und jetzt macht er es in Liverpool auch wieder richtig, richtig gut – was den holländischen Fußball natürlich stolz macht.
In München ist man begeistert von Vincent Kompany. Ist sein Kader stark genug, um nicht nur in Rotterdam, sondern am Ende die Champions League zu gewinnen?
Dass sie zu den Favoriten gehören, ist klar. Das gilt aber auch für Liverpool, Real Madrid und ManCity. Die Extra-Motivation ist mit Blick auf das Finale in München natürlich da. Der Trainer zieht seine Spielweise durch, das gefällt mir. Ich merke, wie groß die Begeisterung um die Bayern ist, weil die Mannschaft immer nach vorne spielt. Das kann bis zum Ende gut gehen, aber es kann eben auch Spiele geben wie in Barcelona. Die Zwischenrunde sollte man daher tunlichst vermeiden. Denn auch da warten ja schon einige Kaliber.
Als Taktgeber tritt unter Kompany Joshua Kimmich auf, über den sie einst sagten: „So einen Spieler will man als Stürmer an seiner Seite haben.“
Dabei bleibe ich – oder anders: Mein Eindruck hat sich noch verstärkt. Er ist nicht nur nach hinten wichtig, sondern auch nach vorne, wo seine überragenden Chipbälle immer wieder ankommen. Man sieht in jedem Spiel, wie wichtig er für die Bayern ist. Wie übrigens auch der andere Spieler, den ich gerne neben mir gehabt hätte.
Wen?
Jamal Musiala natürlich.
Sie gelten auch als Fan von Mathys Tel. Wie sehen Sie seine Situation – braucht er weiter Geduld?
Ja. Er muss auf jede Chance warten und sie nutzen, egal, wie kurz sie ist. Er kann jeden Tag auf höchstem Niveau trainieren, von Konkurrenz wird man besser. Am Ende ist er selbst dafür verantwortlich, das Beste draus zu machen. In Holland sagt man: Gut genug ist alt genug.
Trotzdem ist die Situation hart.
Ohne Frage. Aber er soll sich Jamal zum Vorbild nehmen. Bei ihm hat man ja auch gesehen, dass es ein wenig dauern kann. Bei ManCity war es mit Phil Foden dasselbe – und jetzt sind beide aus ihren Vereinen nicht mehr wegzudenken.
… für Rotterdam ist Musiala wieder fit.
Ja, das ist hart für Rotterdam (lacht). Aber die wissen schon auch so, was auf sie zukommt. Bayerns Kader ist – wenn alle fit sind – in der Breite wahnsinnig gut besetzt. Das kann auch ein Vorteil auf dem Weg zum Titel sein. Wenn alle fit sind, ist das ein echtes Pfund.
Harry Kane träumt vom ersten Titel seiner Karriere. Wird er endlich erlöst?
Diese Geschichte ist doch unglaublich. So ein Spieler! Noch immer ohne Titel! Er hätte es sich verdient, auch weil er Bayern so viel gibt. Sein Transfer war einer der wichtigsten seit Jahren, weil das Loch nach Robert Lewandowski schon groß war. Man kann sich auf ihn verlassen, er schießt seine 30 Tore pro Saison. Ein treffsicherer Stürmer nimmt enorm viel Druck von der Mannschaft.
Was kann Thomas Müller der Mannschaft noch geben?
Viel, sehr viel! Jeder weiß, was man an Thomas hat. Aber irgendwann hat jede Karriere ein Ende. Er muss für sich wissen, wie sich sein Körper anfühlt, wie viel noch geht. Jetzt soll er sich erstmal auf Rotterdam freuen. Ich glaube, das ist selbst für ihn noch ein erstes Mal.
INTERVIEW: HANNA RAIF