Der Szenekenner: Fritz war Weltmeister 2007. © IMAGO
München – Er gehörte zu der erfolgreichsten deutschen Handball-Generation. Und bis heute ist Henning Fritz ein enger Begleiter der Handballszene. Vor einem Jahr feierte der einstige Toptorhüter in Bozen ein bemerkenswertes Comeback. Im Interview spricht er über das Überraschungsteam Italien.
In Ihrer Profizeit erlebten Sie die goldene französische Generation. Jetzt scheint es Ihren Nachfolgern mit Dänemark noch schlimmer zu ergehen…
Es ist eine andere Zeit und ein anderer Handball. Die Franzosen damals haben vor allem von ihrer Kraft und Wucht gelebt. Die Dänen sind da ganz anders. Diese Ballgeschwindigkeit ist einfach beeindruckend. Teilweise ist es fast schwer, das Spiel zu verfolgen. Dazu kommt eine enorme Spielfreude. Die Dänen haben Spaß daran, zusammen Handball zu spielen. Wobei: Das wäre zu einfach. Du musst schon auch spielen können. Und das tun sie. Die sind auf allen Positionen doppelt und dreifach mit Weltklasse besetzt. Und spielen einen hochmodernen, schnellen Handball.
Was nichts Gutes verheißt für ein mögliches Wiedersehen in der K.o.-Phase.
Klar. Das kann nur funktionieren, wenn du absolut am Limit spielst. Dass du zwei starke Torhüter hast mit Quoten über 50 Prozent. Dass Du deine Angriffe nutzt. Viel hat da eh nicht gefehlt. Aber sie haben halt trotzdem 40 Tore gefangen. Aber ich bin auch weit davon entfernt, die Mannschaft zu kritisieren. Die haben das nicht schlecht gemacht. Aber gegen Dänemark reicht das halt nicht. Da musst du perfekt spielen.
Durch die Niederlage wird das Spiel am Donnerstag gegen Italien ein Endspiel um das Viertelfinale. Worauf wird es ankommen?
Dass du dich auf dich selbst fokussierst. Die Qualität in der Breite ist bei uns höher. Wenn wir unser Spiel spielen, auch wieder auf zwei starke Torhüter bauen können, dann werden wir das Spiel gewinnen. Ich denke, du kannst die Italiener auch zu Fehlern zwingen. Bis jetzt sind sie – außer gegen Dänemark – davon gelaufen. Es wird interessant, wie sie damit umgehen, wenn es nicht so ist.
Sie kennen den italienischen Handball zumindest ein bisschen von innen. Vor einem Jahr feierten Sie ein kurzes Comeback in Bozen. Haben Sie den Aufschwung kommen sehen?
Das konnte man nicht wirklich kommen sehen, zumal die Italiener nur einmal dabei waren. Da fehlen die wirklichen Gradmesser gegen Topmannschaften. Andererseits hat mir Stefano Podini, der Clubchef in Bozen, der auch Chef des italienischen Verbandes ist, erzählt, dass man in Italien alle Kräfte bündelt, um den Handball zu entwickeln. Da braucht es viel Geduld, das passiert nicht über Nacht. Der Erfolg dieser Mannschaft hat vor acht bis zehn Jahren begonnen. Aber Italien ist ein Sportspieleland. Da stößt so etwas auf fruchtbaren Boden. Das ist überhaupt eine sehr positive Entwicklung. Kleine Handballländer schließen mehr und mehr auf. Sieht man ja auch an der Schweiz.
Das Ergebnis sieht man jetzt. Italien ist die Überraschung der WM.
Ja, es ist schön zu sehen, dass die Spieler nicht nur in den Vereinen gut sind, sondern eben auch in der Nationalmannschaft. Allen voran Domenico Ebner, was mich als langjährigen Torwart natürlich besonders freut. Wobei starke Leistungen bei der WM eh ein Trend sind. Wie oft haben wir gesehen, dass Torhüter zum Man of the Match gewählt werden. Starke Torhüter werden immer wichtiger.
Kann Italien im Kreis der großen Nationen ein längerfristiger Trend werden?
Das wird die Zukunft zeigen müssen. Im Moment ist es wie von null auf hundert, das Turnier hat für die Italiener eine Dynamik bekommen. Andererseits spielen sie einen sehr flexiblen, ballorientierten Handball. Das sind zumindest ganz gute Zeichen.
Was erwarten sie am Donnerstag?
Ein sehr intensives Spiel. Gegegen einen Gegner, der unbedingt die nächste Überraschung schaffen will. . Aber noch mal: Wenn wir unser Potenzial abrufen, dann werden wir gewinnen. Aber es ist gefährlich. Der Trainer, die Spieler, die in Deutschland spielen. Das ganze Team freut sich.
PATRICK REICHELT