Café-Glück statt Profikarriere

von Redaktion

Ex-Löwe Awata über Familie, Fußball und seine Hoffnung für Syrien

Mr. Unverzichtbar: 1860-Kapitän Jesper Verlaat. © IMAGO

Fußballertreff: Awata in seinem Café neben Ex-Löwe Pongracic (Florenz) und anderen Kumpels wie Playstation-Profi Fabio Sabbagh (5.v.l.) und Alexis Fambo von Wacker Burghausen.

Karrierehöhepunkt: Aufstiegsjubel von Mohamad Awata (r..), hier neben Löwen-Legende Sascha Mölders. © IMAGO, privat

Einmal Fußball, immer Fußball: Auch Landesliga-Tore sorgen bei Mohamad Awata (l.) für Glücksgefühle. © IMAGO

München – 12. Mai 2018: Das hellblaue Trikot mit der Nummer sieben hält Mohamad Awata stolz vor der weißblauen Fankurve hoch. Sekunden zuvor trifft der damals 24-Jährige erstmals für die Profis des TSV 1860 München. Etwa 2500 Löwen-Fans sind an diesem Tag zum vorerst letzten Regionalliga-Spiel der Löwen nach Bayreuth gereist und feiern nur wenige Tage später gemeinsam mit Awata die Rückkehr in den Profi-Fußball. „Diese Momente sind die schönsten meiner Karriere in Deutschland“, sagt Awata rückblickend, der zuvor selbst einen sensationellen Aufstieg erlebt hat.

Awata wächst in Syrien auf, gilt als hochtalentierter Kicker und wird Jugendnationalspieler. Mit 16 debütiert er im syrischen Profi-Fußball. Der Weg scheint vorgezeichnet, doch schlagartig platzt sein Traum. Bei einem Bombenangriff stirbt seine Mutter. Awata ergreift die Flucht. 2016 erreicht er Deutschland, bekommt ein Probetraining bei 1860 und unterschreibt einen Profi-Vertrag.

„Der Fußball war meine Schule“, sagt Awata. Bei 1860 lernt er die Sprache – und enge Freunde kennen. Sein Durchbruch im Profifußball bleibt aus, aber er ist glücklich. Inzwischen arbeitet er als spielender Co-Trainer beim VfB Forstinning und führt mit seiner Frau das syrische Café Lara in der Grillparzerstraße. „Meine Frau bedeutet mir alles“, sagt Awata. „In Deutschland ist sie jetzt meine Familie.“

Der Rest der Familie lebt in Syrien. Seinen Bruder, seine Schwester und seinen Vater hat Awata zuletzt vor über acht Jahren gesehen, doch in ihm keimt Hoffnung auf, dass sich das bald ändert. Seit dem Sturz des Staatspräsidenten Baschar Hafiz al-Assad herrsche in Syrien Aufbruchstimmung. „Der Präsident hat das Land kaputt gemacht. Meine Mutter ist wegen des Präsidenten tot. Was er den Menschen angetan hat, kann man nicht in Worte fassen“, sagt Awata. „Du kannst nicht in der Zeit zurückreisen und das korrigieren.“

Der Diktator al-Assad regierte in Syrien über 14 Jahre und ist für den Tod von Hunderttausenden Menschen verantwortlich. Elf Millionen Menschen wurden vertrieben. „Nach jedem Telefonat mit meiner Familie hatte ich Angst“, sagt Awata, für den in Gesprächen mit den Angehörigen politische Themen und die missliche humanitäre Lage tabu waren – aus Angst vor Verfolgung und Folter. Jetzt sei das anders.

Ende 2024 kollabierte die Syrische Republik unter al-Assad. Zuvor hatten Rebellen Damaskus erobert. Inzwischen ist Mohammed al-Baschir Premierminister der syrischen Übergangsregierung. „Ich kannte ihn davor nicht, aber in Syrien wollen die Menschen endlich normal leben“, sagt Awata, dem der neue politische Kurs weltoffener erscheint. „Es kann nur besser werden.“

Awata informiert sich täglich über die Geschehnisse. Den Kontakt zur Familie in Syrien hat er deshalb intensiviert. Inzwischen kann er sich sogar vorstellen, sie eines Tages wiederzusehen. „Wenn ich sie besuchen kann, wäre das schön“, sagt Awata, der mit einer Rückreise seinen Aufenthaltstitel riskieren würde, obwohl er dauerhaft in München bleiben will. „Ich habe mir was aufgebaut: Ich habe hier meine Frau, meine Freunde und arbeite seit acht Jahren hier. Deutschland ist meine Heimat geworden.“

Aktuell sucht Awata eine neue Wohnung im Osten Münchens. Er will sesshaft werden, plant langfristig in Deutschland – auch als Fußballer. „Wenn ich fit bleibe, will ich spielen, bis ich 40 bin“, sagt der 31-Jährige. Vielleicht sogar beim VfB Forstinning? „Ich weiß nicht, was kommt“, sagt Awata, „aber aktuell bin ich voll zufrieden.“
BORIS MANZ

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