Frust pur nach dem „PortuGAU“

von Redaktion

Deutschlands Handballer im Stimmungstief – Wolff fordert Aufarbeitung

Portugals Schlüsselspieler: Francisco Costa bekam Deutschland nicht in den Griff. © IMAGO/Stian Lysberg Solum

Alleine und angefressen: DHB-Torhüter Andreas Wolff. © IMAGO/Stian Lysberg Solum

WM-Enttäuschung: Das Verlängerungs-Drama setzte dem DHB-Team zu. © IMAGO/Stian Lysberg Solum

Oslo – Schwer gezeichnet von den Nachwirkungen des „PortuGAU“, wie die Hamburger Morgenpost titelte, verließ Alfred Gislason den Ort der deutschen WM-Enttäuschung. Tiefe Augenringe zeugten von einer kurzen Nacht, als der Bundestrainer mit leerem Blick den Flughafenbus bestieg. Das Verlängerungs-Drama ohne Happy End gegen Portugal (30:31) und sicherlich auch die Kritik an seiner Person hatten Gislason sichtlich zugesetzt.

„Warum nicht?“, entgegnete der Isländer am Donnerstagmorgen in Oslo auf die Frage, ob er noch genug Kraft habe, um seinen bis 2027 laufenden Vertrag zu erfüllen. „Ich mache diesen Job, weil ich Handball liebe, weil ich stolz bin, für Deutschland und mit dieser Mannschaft zu arbeiten. Ich werde endlos weitermachen mit Handball.“

Das WM-Abenteuer ist für Gislason und sein Team aber beendet. Statt am Wochenende um die erste WM-Medaille seit 18 Jahren zu kämpfen, verließen Deutschlands Handballer um 8.47 Uhr ihr Teamquartier. Zu den deutschen Darbietungen und WM-Platz sechs gab es sechs Monate nach Olympia-Silber unterschiedliche Meinungen.

Der Bundestrainer weigerte sich, das Turnier „als irgendeinen Rückschritt“ zu sehen. Torhüter Andreas Wolff, der sich am Donnerstagmorgen beim Krafttraining abreagierte, meinte vielsagend: „Wir müssen einiges aufarbeiten. Ich habe meine Gedanken dazu, warum es nicht gereicht hat. Aber die werde ich öffentlich nicht teilen.“

Wie sehr es in Wolff nach der Niederlage brodelte, zeigte sich direkt nach dem Spiel, als der einmal mehr überragende Keeper (21 Paraden) minutenlang wutentbrannt über das Feld sprang und lautstark schimpfend sein Handtuch auf den Hallenboden feuerte. „Es tut weh, so auszuscheiden. Wir hatten alle Chancen selbst in der Hand, ins Halbfinale einzuziehen“, sagte Wolff, der aber jegliche Kritik an seinen Teamkollegen vermied.

Die insgesamt wenig inspirierten deutschen WM-Auftritte werfen Fragen auf. Zwar gewann die DHB-Auswahl fünf ihrer sieben Spiele, mit der Art und Weise wussten Kapitän Johannes Golla und seine Mitspieler aber nur selten zu überzeugen. Die Probleme in der Vor- und Hauptrunde setzten sich gegen Portugal ungemindert fort. Die erste Halbzeit des Viertelfinales nannte Golla gar „absolut katastrophal“.

2007-Weltmeister und Sportschau-Experte Johannes Bitter analysierte kritisch: „Das ist ja gegen Portugal nicht zum ersten Mal passiert. Wir brauchen fast in jedem Spiel die ersten 20 Minuten, um überhaupt mal zu lernen und zu verstehen, was der Gegner macht. Da frage ich mich ganz ehrlich: Wo ist die Vorbereitung?“

Eine Frage, die vor allem an Gislason gerichtet sein dürfte. „Planlos, mutlos, ideenlos“, habe Deutschland agiert, titelte die Sportschau. Vor allem im Angriff fehlte es an Struktur, Kreativität und Lösungsvarianten. Und selbst in der Abwehr, für gewöhnlich das Prunkstück des deutschen Spiels, wirkte die DHB-Auswahl zu statisch. Wohl auch deshalb widersprach 2007-Weltmeister Michael Kraus Gislason in dessen WM-Analyse: „Bullshit, natürlich ist das ein Rückschlag“.

Die Spitze des Deutschen Handballbundes (DHB) bewertete das Aus am Tag danach als „schmerzhaft“, ein abschließendes Fazit zog DHB-Sportvorstand Ingo Meckes aber noch nicht. „Am Ende steht ein Viertelfinal-Aus nach einem Riesenfight, mit dem wir alle nicht glücklich sind. Jetzt haben wir Zeit, das zu analysieren, um die Entwicklung der Mannschaft voranzutreiben“, sagte der Sportchef vor der Abreise aus Norwegen.

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