Zurück zu alter Stärke: Antony im Betis-Dress. © betis
Sevilla – Im Geschäft mit dem runden Leder ist der Grat zwischen Superstar und Super-GAU relativ schmal. Wie schmal genau, lässt sich am Beispiel von Antony Matheus dos Santos (24) – kurz: Antony – skizzieren. Zweieinhalb Jahre ist es her, als Manchester United für den trickreichen Brasilianer eine Sockelablöse von 95 Millionen Euro auf die Konten von Ajax Amsterdam überwies. Seitdem ist sehr viel, beziehungsweise sehr wenig passiert bei Antony. So wenig, dass der zweitteuerste Transfer der ManU-Clubgeschichte nun den Rest der Saison in Form einer Leihe ohne Kaufoption beim spanischen Erstligisten Real Betis aus Sevilla bestreiten wird. Oder wie es der Engländer nennt: „das Millionen-Missverständnis“!
2022 wäre es noch undenkbar gewesen, einen Spieler der Kategorie Antony im grün-weiß gestreiften Leiberl des andalusischen Kultclubs zu sehen. Die Saison damals beendete der Flügelspieler mit zwölf Treffern und zehn Assists in 33 Spielen unter der Regie von Erik ten Hag, der in Sommer bei United anheuerte und seinen Wunschspieler mit auf die Insel nahm. Die Investition schien sich zunächst auszuzahlen. Antony, der sich seinen bisweilen exzessiv verspielten Spielstil in den Favelas von São Paulo angeeignet hatte, startete mit drei Toren in drei Premier-League-Spielen durch. Doch dann der Absturz. Infolge seiner Ineffizienz war der Stammplatz bald weg. Dann war irgendwann ten Hag weg. Und unter Nachfolger Ruben Amorim war schließlich er weg.
Nun also Betis. Aus 95 Millionen Euro Sockelablöse sind 0 Euro Leihgebühr und rund zwei Millionen Gehalt geworden, die der dreifache spanische Pokalsieger übernimmt. Ein Schnäppchen, insbesondere vor dem Hintergrund, dass andere Clubs sich das Experiment Antony weitaus mehr Geld kosten lassen wollten. Doch der Dribbelkünstler war – ganz im Gegensatz zu seinen charakteristischen Pirouetten auf dem Platz – in Sachen Clubwahl sehr zielstrebig. Er wollte zu Betis, schließlich ist ihm nicht entgangen, dass der Verein im Süden der iberischen Halbinsel zu einer Art Ort der Wiederauferstehung für gescheiterte Kicker geworden ist.
Siehe Francisco Ramón Alarcón Suárez, kurz: Isco. Im Winter 2022 einigte sich der fünffache Champions-League-Sieger nach nur einem halben Jahr beim FC Sevilla infolge von Erfolglosigkeit und Zwist mit der Clubführung auf die Vertragsauflösung, sieben Monate später schnappte Erzrivale Betis zu. Isco fand zurück zu alter Stärke, verzeichnete in seiner Debütsaison neun Tore und sieben Assists und wäre sogar Teil des spanischen Europameisterkaders gewesen, hätte ihn ein Wadenbeinbruch nicht ausgebremst. Antony will seinem Beispiel nun folgen. Ab seinem Debüt am Sonntag (21 Uhr, DAZN) gegen Bilbao hat er fünf Monate Zeit, um zu beweisen, dass auch aus einem Super-GAU im Handumdrehen wieder ein Superstar werden kann.
JOSÉ CARLOS MENZEL LÓPEZ