Mit Killerinstinkt zu Gold

von Redaktion

Rodel-WM: Taubitz fährt in Whistler auf Angriff – und denkt längst weiter

Schaut her: Frohnatur Taubitz, bereit für die WM. © IMAGO

München – Wenn man die „kleine“ Julia Taubitz fragen würde, wäre das kommende Wochenende eines zum Entspannen. „Als ich mit sieben Jahren mit dem Rodeln angefangen habe, wollte ich immer Weltmeisterin, Gesamtweltcupsiegerin und Olympiasiegerin werden“, erzählt die inzwischen „große“ Julia Taubitz und lacht. Fünf WM-Goldmedaillen und vier Kristallkugeln hat die 28-Jährige schon gesammelt, bei der an diesem Mittwoch startenden WM im kanadischen Whistler soll „mindestens eine goldene dazukommen“. Daraus, dass der für sie sportlich und vor allem persönlich aber wichtigere Wettbewerb erst im kommenden Jahr stattfindet, macht die Vize-Weltmeisterin aber auch kein Geheimnis. Taubitz freut sich auf die WM, sie ist topmotiviert, aber sie weiß: „Der eine Titel fehlt mir noch. Und alles, was auf dem Weg dahin kommt, ist ein I-Tüpfelchen“.

Es ist ja nichts Besonderes, dass olympische Sportler in Vierjahreszyklen denken. Im speziellen Fall von Julia Taubitz aber haben die Olympischen Spiele, die auch für die Rodler nach langem Hin und Her höchstwahrscheinlich im neuen Eiskanal von Cortina d‘Ampezzo stattfinden, einen noch größeren Stellenwert. Zwar sind die Tränen aus dem Zielauslauf von Peking drei Jahre nach dem schweren Sturz im zweiten Olympia-Lauf getrocknet und die psychischen Narben mithilfe eines Mentaltrainers weitestgehend verheilt. Trotzdem hört man Taubitz im Gespräch an, dass sie Wiedergutmachung will. Wer auf Gold-Kurs liegend alles verliert – wie sie 2021 – lechzt noch mehr nach dieser einen Medaille. Trotzdem sagt sie: „Es gibt genügend Beispiele im Sport, die auf Krampf ein bestimmtes Ziel erreichen wollen. Das bin ich nicht.“ Daher gilt für den Weg nach Cortina: „Es geht weiter, immer weiter.“ Und jede Erfahrung hilft, noch besser zu werden.

Genau so geht die Sportsoldatin auch die Großereignisse in diesem Winter an, und bei der EM vor zweieinhalb Wochen in Winterberg hat es schon mal optimal funktioniert: Während Taubitz im Ziel laut „Europameisterin“ in die TV-Kameras brüllte, sagt sie mit ein wenig Abstand zu ihrem ersten kontinentalen Titel: „Lange hat‘s gedauert – neun Jahre!“ Dass der kleine Coup ausgerechnet nach einer Schwächeperiode in Sigulda und Altenberg gelang, hat zudem „richtig viel Selbstvertrauen gegeben“. Wieder schlägt sie die Cortina-Brücke: „Zu wissen, dass man aufstehen und zur alten Form zurückfinden kann, ist etwas sehr Gutes für meine weitere sportliche Entwicklung. Auch mit Blick auf die olympische Saison.“

In Whistler ist Taubitz, aktuell auf zwei der Gesamtwertung, Mitfavoritin, wenn die Damen in der Nacht zum Freitag um Medaillen fahren. Im zu erwartenden „deutsch-österreichischen Duell“ ist die Gesamtweltcupführende Madeleine Egle vor allem am Start das Maß aller Dinge, Taubitz aber will und muss sich auf der Bahn, auf der das BSD-Team im Vorjahr einen Dreifacherfolg einfuhr, nicht verstecken. Sie mag Whistler, „man kann dort richtig tanzen auf dem Schlitten“. Dass die Damen aus dem Nachbarland das inzwischen auch können, stört sie nicht. „Ein Tritt für das ganze Team“ sei Österreichs Stärke, sagt sie: „Das ist eine freundschaftliche Stichelei, eine Hass-Liebe.“

Auch Konkurrenz kann ja beleben. Und Taubitz hat sich für die WM etwas vorgenommen, das ihr bisher – und auch bei der Generalprobe in Oberhof – gefehlt hat. Sie selbst nennt es den „Killerinstinkt“, den sie endlich erwecken will, also: von Beginn an auf Angriff fahren. Die gute Nachricht für die „kleine Julia“: Klappt das, ist das Projekt Gold 2025 noch realistischer.
HANNA RAIF

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