„Tel zu Tottenham macht Sinn“

von Redaktion

Ex-Bayern Direktor Michael Reschke analysiert das Transferfinale

Tel wurde auf den letzten Drücker an Tottenham verliehen – mit Kaufoption.

Hallo, hier bin ich! Tottenham geizte bei der Vorstellung von Mathys Tel in den sozialen Medien nicht mit Wortspielen – dieses Bild war untertitelt mit den Worten: „Show and Tel“ © Tottenham

Michael Reschke, Transfer-Experte. © IMAGO/Bucco

Am Montag um 20 Uhr schloss das Wintertransferfenster in Deutschland. Vor allem beim FC Bayern herrschte im Wechsel-Endspurt noch mal ordentlich Trubel. Als langjähriger Bundesliga-Manager (Leverkusen, FC Bayern, VfB Stuttgart, Schalke) und ehemaliger Europachef der Berater-Agentur CAA Stellar kann Michael Reschke das hektische Treiben bestens einschätzen.

Herr Reschke, welcher Winter-Transfer hat Sie am Meisten überrascht, welcher Club bzw. Sportdirektor am Meisten beeindruckt?

Wenn man selbst so lange in diesem Transferbusiness aktiv war, beobachtet man das gesamte Geschehen natürlich mit Interesse und weiß um die Hektik, gerade in den letzten Stunden vor dem Ende der Periode. Am meisten überrascht haben mich die Abläufe beim 1. FC Nürnberg. Da werden die sportlich Verantwortlichen Joti Chatzialexiou und Olaf Rebbe sicherlich Hochdruck verspürt haben. Die Verkäufe von Finn Jeltsch und Stefanos Tzimas haben anscheinend über 15 Millionen Euro in die Kasse gespült und sich andererseits natürlich sportlich bittere Abgänge, wobei Tzimas ja zumindest bis Ende der Saison noch beim Club bleibt. Da zeigt sich der Zwiespalt beim FCN und die große Herausforderung die Miro Klose als Trainer zu meistern hat. Aber Kompliment an die Nachwuchsabteilung des Clubs, die zuletzt tolle Talente entwickelt hat und auch an die Transfer-Verantwortlichen.

Wie bewerten Sie die Tätigkeiten der Bayern?

Mit Jonas Urbig und Tom Bischof hat man sich zwei deutsche Toptalente gesichert. Die beiden Leihen von Mathys Tel und Adam Aznou sichern den Jungs deutlich mehr Spielpraxis als dies bei den Bayern möglich gewesen wäre. Also: Beides sehr sinnvoll und im Sinne der Jungs.

Für großes Theater hat der Abgang von Mathys Tel gesorgt. Das Offensiv-Juwel geht nun doch per Leihe plus Kaufoption zu Tottenham. Nachvollziehbar?

Speziell bei Tel musste man der stagnierenden Entwicklung der letzten Monate Rechnung tragen. Er kann sich nur über regelmäßige Spielzeit weiter entwickeln. Dies ist beim FCB aktuell, aufgrund der extrem Konkurrenzsituation, nicht möglich. Die Leihe zu Tottenham ist für alle Beteiligten eine sinnvolle Lösung.

Der Wechsel konnte quasi in Echtzeit plus Fotos aus dem Privatjet nach London mitverfolgt werden. Wie finden Sie die Entwicklung der Transferberichterstattung?

Das mittlerweile vieles so gläsern geworden ist, hat halt auch Unterhaltungswert. Da hat Sky mit dem Transfer-Journalismus einfach ein spannendes Fass aufgemacht. Und auch für die Printmedien und Ihre Leser bietet dies doch beste Unterhaltung und Diskussionsstoff.

Max Eberl und Co. musste Talente verkaufen bzw. zurückholen, um die Leihen von Tel bzw. Adam Aznou möglich zu machen. Ein großes Tamtam, oder?

Die ganzen Wendungen der letzten Tage waren schon speziell und sind gewiss nicht für jeden nachvollziehbar. Aber es ist halt so, dass im Transferbereich von jetzt auf gleich veränderte Situationen entstehen und man dann darauf reagiert. Fragen Sie mal bei Bayer 04 und Boniface nach. Da ist ein sicher geglaubter 70 Mio. Euro Transfer plötzlich geplatzt.

Ist das Wintertransferfenster bzw. die Flucht zahlreicher Juwele ein abschreckendes Beispiel für Talente, die der FC Bayern verpflichten möchte?

Naja. Junge Spieler, die zum FCB wechseln, müssen sich immer darüber im Klaren sein, dass der Konkurrenzdruck extrem ist. Zu meiner Zeit als Technischer Direktor bei den Bayern hatten wir das Glück mit Kimmich, Coman und Gnabry einige Volltreffer zu landen. Aber speziell Serge ist ein gutes Beispiel für eine sinnvolle Karriereplanung. Nach seiner Verpflichtung haben wir ihn zunächst zu Werder Bremen und später nach Hoffenheim ausgeliehen und erst zum FCB geholt, als wir sicher waren: Jetzt ist er soweit. Ich habe ja auch die Entwicklung von Alex Nübel eng verfolgt, weil ich zu seiner Wechselzeit von Schalke zu den Bayern bei S04 aktiv war. Ich habe Ihm damals dringend abgeraten, so früh zu wechseln, weil hinter Manuel Neuer kaum Chancen auf Spielzeit möglich waren. Ich glaube, er kam in seiner ersten Bayern-Saison auf vier Einsätze, nachdem er zuvor schon Stammtorwart bei Schalke war. Es wird spannend werden, wie die Entwicklung von Urbig und Bischof verläuft. Dabei ist es schon außergewöhnlich, wie Bischof aktuell in Hoffenheim auftritt und speziell seine Scorerwertung ist stark. Aber bei Bayern hast du natürlich eine völlig andere Konkurrenzsituation.

In einer Welt ohne Limit wünscht sich Uli Hoeneß Florian Wirtz beim FC Bayern. Wie realistisch ist das im kommenden Sommer?

Florian Wirtz ist gewiss nicht nur der Wunschspieler von Uli Hoeneß. Der Junge ist eine Naturgewalt. Mit welcher Leidenschaft und Klasse er jedes Spiel bestreitet, ist faszinierend und kann ganze Stadien elektrisieren. Ich glaube, dass er noch ein Jahr bei Bayer 04 bleibt. Und danach wird’s spannend.


INTERVIEW: PHILIPP KESSLER

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