Nicht zu übersehen: Das Motorhome von Lindsey Vonn ist meist direkt neben der Rennstrecke geparkt. © Christian Fellner
Weicht nicht von ihrer Seite: Jürgen Mastrocola ist der persönliche Betreuer von Lindsey Vonn. Seit sechs Jahren arbeitet der Südtiroler mit dem Superstar zusammen. © Thomas Sehr
Saalbach-Hinterglemm – Kaum eine Skifahrerin steht so im Fokus wie Lindsey Vonn. Noch immer ist die 40-Jährige das Aushängeschild des alpinen Skisports. Wenn Vonn in Erscheinung tritt, rücken die anderen Sportler in den Hintergrund. Ihre Extravaganz zeigt sich auch bei den Weltmeisterschaften in Saalbach-Hinterglemm. Ihr Motorhome, eigentlich mehr ein Lastwagen mit seiner Länge von 14 Metern, ist nur einer der vielen Annehmlichkeiten für den Superstar. Neben dem gut 700 000 Euro teurem Gefährt hat sie einen eigenen Betreuer. Wobei Jürgen Mastrocola sich eher als Mann für alles sieht. „Ich bin ihr Problemlöser“, sagt der 57-jährige Südtiroler. Von Red Bull wurde er mit einer einzigen Aufgabe betraut: Sich um Vonn zu kümmern.
Ganz genau erinnert er sich noch an die allererste Begegnung mit Vonn. Gut sechs Jahre ist das nun her. Mastrocola fuhr das Motorhome an den Parkplatz, sorgte für Strom und Wasseranschluss – alles musste makellos sein. „Geplant war, dass sie um 14 Uhr ankommt“, erzählt er. Pünktlich stellte sich Mastrocola vor das Gefährt, um Vonn zu empfangen. Er wartete. Und wartete. Vonn kam nicht. Ihr Gepäck ging am Flughafen in Zürich verloren, mit über acht Stunden Verspätung erreichte sie den Treffpunkt. „Dann war sie auch noch krank, in richtig schlechter Verfassung. Da habe ich mir gedacht, das fängt ja gut an.“ Mit Fieber schleppte sich Vonn ins Bett. An Skifahren war nicht zu denken. Medikamente durfte Vonn aufgrund der Dopingkontrollen nur sehr eingeschränkt zu sich nehmen. Doch ihr Betreuer hatte einen Geistesblitz. Schnurstracks lief er zu einer nahegelegenen Alm, bei der er untergebracht war und bat die Bäuerin um eine Hühnerbrühe. „Etwas richtig kräftiges.“ Das füllte er in einen Joghurtbecher um und tischte es Vonn auf. Am nächsten Tag war die Amerikanerin fieberfrei und topfit. „Von da an hatte sie vollstes Vertrauen in das, was ich mache.“
Egal, was Vonn braucht, Mastrocola macht es möglich. Er betreut ihr Motorhome, macht Besorgungen für die Amerikanerin, die am liebsten Eierspeisen isst. Er hält ihr aufdringliche Fans und Journalisten vom Leib. „Ich bin aber auch Klempner, Tischler, Hydrauliker, Koch, Masseur, der Mann für alles.“ Zwischen 250 und 275 Tage im Jahr ist er unterwegs. Im Winter sorgt er sich um Vonn, im Sommer reist er mit Max Verstappen um die Welt. Auch der Formel 1-Fahrer hat sein eigenes Mobilhome mit zwei Schlafzimmern, zwei Bädern, Wohnecke, Küche und Sauna. Besonders wichtig: eine 32-Ampere-Steckdose muss in der Nähe sein, damit Verstappen am Simulator virtuelle Rennen gegen Spieler aus der ganzen Welt fahren kann. „Dafür braucht es auch eine Top-Internetverbindung.“
Doch was Mastrocola besonders schätzt, ist die zwischenmenschliche Beziehung zu den Sportlern. Er verwöhnt seine Athleten gerne mit hauseigenem, frisch gepressten Apfelsaft. Verstappen schwört darauf. „Max trinkt an einem Wochenende fast zehn Flaschen davon. Und Chips will er von mir. Das sind seine Mahlzeiten.“ Aber auch sonst ist Mastrocola für die Superstars erster Ansprechpartner, Motivator und Rückzugsmöglichkeit. Bei Vonns schmerzhaften Abfahrts-Aus in Garmisch-Partenkirchen nahm der Südtiroler sie im Ziel in Empfang und redete ihr aufmunternd zu. „Ich betreue Lindsey jetzt seit sechs Jahren, da baut sich eine große Freundschaft auf. Sie muss Vertrauen haben, das gehört zu meinem Beruf dazu.“
Mastrocola ist einer von vielen Mitarbeitern des Red-Bull-Imperiums, die sich nur um das Wohlbefinden der Athleten kümmern. Einst hatte ihn der damalige Boss Dietrich Mateschitz selbst angeheuert. Noch heute wird sein Vertrag per Händedruck verabschiedet. Für ihn ist es kein Beruf, sondern eine Lebenseinstellung. „Das ist eine Ehre. Zu Hause fällt mir sowieso immer die Decke auf den Kopf.“
JOSHUA EIBL