Der Kronprinz besteigt den Thron

von Redaktion

Von Allmen schlägt Odermatt: „Unglaublich“ – Aicher vom Los ausgebremst

Geschlagen: Marco Odermatt. © Kerstin Joensson/AFP

Stolzer Sieger: Franjo von Allmen (mitte) auf dem Podest mit Vincent Kriechmayr (l.) und Alexis Monney. © Gindl/AFP

Starke Fahrt, schlechte Startnummer: Aicher. © Imago

Überglücklich im Ziel: Breezy Johnson, erste Abfahrts-Weltmeisterin aus den USA seit 2009. © IMAGO

Frisch enthaart: Abfahrts-König von Allmen (li.) und Odermatt rasierten sich bei der abendlichen Feier eine Halbglatze. © Imago

Saalbach-Hinterglemm – Der König musste verärgert seinen Thron räumen, sein Kronprinz ist der neue Herrscher in der alpinen „Königsdisziplin“: Mit einem verwegenen Ritt holte sich der Schweizer Franjo von Allmen bei der spektakulären Abfahrt am Zwölferkogel WM-Gold. Auch sein Landsmann und Titelverteidiger Marco Odermatt konnte da nur hochachtungsvoll den Hut ziehen. „Unglaublich“, sagte der große eidgenössische Dominator, „was Franjo geleistet hat.“

Der favorisierte Odermatt, zwei Tage zuvor überragender Weltmeister im Super-G, belegte Rang fünf (+0,66 Sekunden), er schlug sich daher auch frustriert auf den Helm, sagte aber schon bald danach mit einem Grinsen: „Wir sind ein tolles Team, wir pushen uns gegenseitig. Und mir ist es auch lieber, es gewinnt ein Schweizer als ein Österreicher.“ Von Allmen, als Draufgänger bekannt, kündigte an: „Heute Abend werden wir zu Boden gehen, wir werden feiern bis zum Umkippen.“ Taten sie auch – beide rasierten sich eine Halbglatze.

Hinter von Allmen holte in Alexis Monney (+0,31 Sekunden) ein weiterer Schweizer Bronze. Dazwischen drängte sich Österreichs Vincent Kriechmayr (+0,24). Er war vor vier Wochen in Wengen noch schwer gestürzt und brachte nun zwischenzeitlich die Tribüne im Zielraum zum Beben, als er Monneys Bestzeit unterbot: Zwei Startnummern später jubelten die Schweizer. Er sei nach seinem neunten Platz im Super-G „volles Risiko gegangen“, betonte von Allmen.

Von Allmen ist der jüngste „König“ in der Abfahrt seit 1989, als dem damals 21 Jahre alte Hansjörg Tauscher aus dem Allgäu ein Coup gelang. Diesmal spielten die Deutschen erwartungsgemäß keine Rolle: Routinier Romed Baumann belegte Rang 20, der angeschlagene Simon Jocher Rang 30, der im Super-G spektakulär gestürzte Luis Vogt schied aus. Für Baumann war es „wahrscheinlich“ das letzte Einzel-Rennen bei einer WM.

Von Allmen dagegen hat noch lange nicht fertig, dabei hatte, als er 18 Jahre alt war, seine Karriere schon auf der Kippe gestanden: Sein Vater verstarb, er schlug sich daher eine Weile in seinem erlernten Beruf als Zimmermann durch. In diesem Winter aber startete er durch, gewann im Weltcup den Super-G in Wengen. Auf der großen Bühne trat er nun gleich mal in Odermatts Spuren: Auch dem Titelverteidiger war 2023 der erste Sieg in einer Abfahrt bei der WM gelungen.

Feiern müssen die Schweizer erneut an einem kuriosen Ort. Ihr „Haus“ in Saalbach-Hinterglemm ist tatsächlich nur eine kleine Ecke – im Erdgeschoss des Event-Tempels „Home of Snow“ der Österreicher.

Zum Feiern zumute – und irgendwie auch nicht – war Emma Aicher. Für die deutsche Hoffnungsträgerinwar eine Medaille zum Greifen nahe, dass sie nach der Abfahrt nicht zumindest Bronze in den Händen hielt, lag vor allem an ihrer miserablen Startnummer 30. Oder? „Das werden wir nie rausfinden“, sagte die gewohnt unaufgeregte Aicher (21) – und freute sich lieber und zu Recht über Rang sechs.

Eine der ersten Gratulantinnen bei der völlig aufgelösten Siegerin Breezy Johnson war Lindsey Vonn, die noch hinter der enttäuschten Kira Weidle-Winkelmann (12.) auf Rang 15 landete. Für Johnson, die erste Weltmeisterin in der Abfahrt aus den USA seit 2009, war es ein Comeback der besonderen Art: Weil sie innerhalb von zwölf Monaten bei drei Terminen der US-Dopingagentur USADA nicht angetroffen wurde, war sie im Oktober 2023 für 14 Monate gesperrt worden.
SID

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