Seit 2019 Schwedens Cheftrainer: Johannes Lukas. © IMAGO/Wallskog
Voller Einsatz an der Strecke und auch daneben: Die Schweden waren seit fünf Wochen nicht mehr zu Hause. © IMAGO/Sandberg
Alle Schweden hören auf sein Kommando! Der gebürtige Münchner Johannes Lukas betreut seit 2019 als Cheftrainer das Biathlon-Team der „Tre Kronor“. Der bisherige Höhepunkt: elf Medaillen bei der Oberhof-WM 2023. Zum Start in die WM spricht der 31-Jährige über die gestiegene Erwartungshaltung, das Erfolgsgeheimnis seiner Sportart und Biathlon im Olympiapark.
Johannes, im Biathlon findet jedes Jahr eine WM statt. Kommendes Jahr sind Olympische Spiele. Sind die Tage in Lenzerheide nur eine Zwischenstation im großen Trainingsplan?
Wir haben einen Vierjahresplan, Olympia ist deshalb definitiv im Hinterkopf. Aber der aktuelle Fokus liegt in der Schweiz, denn eine schlechte WM kann ich mir nicht leisten. Die Höhe (1400 Meter, Anm, d. Red.) spricht allerdings nicht direkt für uns.
Warum?
Weil uns in Schweden im Gegensatz zu den Franzosen oder den Italienern die natürliche Höhenlage fehlt. Deshalb sind wir nach der Generalprobe in Antholz in der Höhe geblieben. Auch da denke ich schon an Olympia, denn Antholz liegt mit knapp 1600 Meter sehr hoch. Wenn die Pläne dieses Jahr aufgehen, passen sie hoffentlich auch kommenden Winter.
Vergangenes Jahr blieb Schweden lange ohne Medaille, der (mediale) Druck war groß, oder?
Das hatten wir uns durch die elf Medaillen von Oberhof selbst eingebrockt. Realistisch gesehen wird ein schwedisches Team das nie mehr schaffen. Aber so funktioniert eben das Business. Letztlich war unsere Bilanz mit drei Medaillen in Ordnung. Ich bin auch diesmal relativ ruhig. Wir waren in der Vorbereitung fünf Wochen am Stück unterwegs und haben viel investiert. Viel mehr geht nicht. Aber, auch das muss man sagen: Im Biathlon ist nicht alles planbar.
Mit schlechtem Material hat man keine Medaillenchance. Kann man das so runterbrechen?
Wenn es wirklich sehr schlecht ist, dann ist das so. Die Besten können vielleicht auch mit mittelmäßigem Material noch etwas holen. Wir Trainer merken das spätestens an den Abständen in der zweiten Runde. Aber insgesamt, denke ich, war das in der vergangenen Saison ein größeres Thema.
Der Weltverband IBU testet im Nachwuchsbereich Einheitswachs. Sind Sie dafür oder dagegen?
In der Jugend macht das total Sinn, weil oft das Know-How für die Präparierung fehlt. Ganz zu schweigen von den Kosten. Denn im Weltcup ist das im Moment schon eine riesige Materialschlacht. Aber ich finde das trotzdem gut, weil die Tüftler, die Erfahrenen und die Fleißigen belohnt werden.
Wenn das Material passt, sind die Scheiben immer gleich groß und gleich weit entfernt. Dass man für die Laufleistung Trainingspläne schreiben kann, brauche ich Ihnen nicht zu erklären. Dennoch sagten Sie vorhin, nicht alles ist planbar. Warum?
Man darf den mentalen Aspekt nicht vergessen. Diese Komponente ist nur bedingt trainierbar. Wenn ein Athlet zum Schießen auf Matte eins fährt und hinter ihm mehrere tausende Zuschauer „Hey-ho“ schreien, muss man erstmal bei sich bleiben. In Ruhpolding waren wir mit der Staffel auf Podestkurs, bis Elvira trotz der drei Nachlader eine Strafrunde geschossen hat. Am nächsten Tag hat sie den Massenstart gewonnen und viermal null Fehler geschossen. Das ist schwer erklärbar.
Franziska Preuß fühlte sich kürzlich vom Stadionsprecher gestört, ebenso wie Vanessa Voigt in der vergangenen Saison. Als Laie würde ich sagen: Da müssen sie durch. Liege ich falsch?
Ich kenne die Fälle, aber keine Details dazu. Wir arbeiten immer mal wieder mit akustischen Störsignalen. Die Athleten müssen vorbereitet sein, um den Überraschungseffekt so gering und die Routine so flexibel wie möglich zu halten. Aber auch hier gilt: Man kann das nur bis zu einem gewissen Maß trainieren. Es gibt auch einfach Schießtalente und nicht jeder ist als Schlussläufer einer Staffel geeignet.
Dennoch würde ich behaupten: Wer super läuft, kommt bei der Menge an Wettkämpfen schon irgendwann beim Schießen durch. Wer aber „nur“ gut schießt, kommt nie ganz nach vorne.
Im Grundsatz gebe ich ihnen recht, aber ganz so einfach kann man das heute auch nicht mehr sagen. Die Zeiten, als Ole Einar Björndalen oder Magdalena Neuner relativ große Rückstände noch zugelaufen haben, die sind vorbei. Die Abstände sind mittlerweile sehr eng, dazu hat sich die Schießgeschwindigkeit extrem entwickelt. Wer ganz nach vorne will, braucht eine stabile Komplexleistung.
Kommenden Herbst können sich die Münchner von all dem beim neuen Event im Olympiapark selbst davon überzeugen. Ein guter Schachzug der IBU?
Ich finde es cool. Beim Sommerbiathlon in den Städten ist oft viel los und wir haben die Möglichkeiten zu den Leuten zu kommen. Die genauen Details kennen wir auch noch nicht. Aber ich weiß, dass die besten der Welt am Start stehen sollen und wir freuen uns darauf.
INTERVIEW: MATHIAS MÜLLER