„Das macht mich stolz“, sagt Mohr über ihre Vorbildrolle. © IMAGO
„Druck? Mache ich mir selbst“: Muriel Mohr. © IMAGO
Aschheim/München – Auf dem Heimflug aus den USA nach München klemmt sich Muriel Mohr hinter ihre Bücher – so wie sie es meistens macht, sobald sich in ihrem vollgepackten Alltag einige freie Minuten auftun. Diesmal dreht sich die Lektüre der 18-Jährigen um die „Dimensionen der Gesundheit“, über die sie drei Tage später die erste Klausur in ihrem neuen Leben als Studentin im Fach Gesundheitswesen schreiben wird.
Und doch gleiten Muriel Mohrs Gedanken im Flieger immer wieder ab zu den zurückliegenden drei Wochen in den USA, die zu den aufregendsten in der bisherigen Karriere der jungen Freeskierin aus dem Münchner Vorort Aschheim gehört haben. Denn sie zeigte nicht nur abermals bei zwei Weltcups in Aspen, dass sie inzwischen zur Weltspitze in ihrem Sport gehört. Die große Hoffnungsträgerin des deutschen Skiverbands durfte mit Blick auf die Winterspiele in Mailand 2026 auch erstmals bei den X-Games starten – jenes Actionsport-Spektakel, das für viele Teilnehmer einen ähnlich hohen Stellenwert wie Olympia hat.
„In den letzten Wochen war ganz schön was los“, sagt Muriel Mohr, wenn man die junge Frau mit den Sommersprossen auf ihren USA-Trip anspricht – in der für sie typischen Mischung aus ehrlicher Begeisterung und leisem Understatement. Dabei scheint sie mitunter selbst nicht glauben zu können, was in diesem Winter alles passiert hat. Kurz gesagt: Bei sieben von acht Weltcups schaffte die Freeskierin, die für den Kirchheimer SC startet, den Sprung ins Finale. Dabei schien es einerlei, ob die Disziplin nun Slopestyle hieß – hier zeigen die Fahrerinnen auf einem Parcours mit Schanzen und Geländern verschiedene Tricks – oder Big Air, wo nur ein einziger Sprung über eine große Anlage bewertet wird.
Gleich zweimal stand Muriel Mohr sogar auf dem Siegerpodest – als Dritte im schweizerischen Laax und in Klagenfurt. Und als wäre all das nicht genug, feierte sie nun am Buttermilk Mountain in Colorado auch noch ihr Debüt bei den X-Games. Dort landete sie beim Big-Air-Wettbewerb vor tausenden Zuschauern nicht nur auf einem starken siebten Platz, sondern konnte erstmals auch einen sogenannten „Dub 12“ stehen. Bedeutet: Nach dem Absprung von der 23 Meter hohen Schanze drehte sich Muriel Mohr ziemlich spektakulär dreieinhalb Mal um die eigene Achse sowie zweimal über Kopf.
Zurück in der Heimat wartet auf die 18-Jährige nun erst mal der Klausurstress – eine Doppelbelastung, die nur wenige Spitzenathletinnen in der Freestyle-Szene haben. Und doch wolle sie diese nicht missen, betont die Aschheimerin, die im Vorjahr ihr Abitur gemacht hat – und mitten in der Lernphase mal eben Slopestyle-Gold und Big-Air-Silber bei der Junioren-WM holte. „Ich brauche das auch als Ablenkung nach dem Skifahren“, sagt Muriel Mohr über ihr Studium. „Ich kann da nicht nur dasitzen und ins Handy schauen.“
Wobei die 18-Jährige einräumt, dass ihr durch Profisport und Uni mitunter die Zeit fehle – zumal sie seit ihren jüngsten Erfolgen zunehmend ins öffentliche Interesse rückt. So trat die Teenagerin zuletzt in Radio und Fernsehen auf; zudem schossen die Followerzahlen ihrer Social-Media-Profile in die Höhe. „Das freut mich natürlich – nicht nur für mich, sondern auch für meine Sportart“, sagt Muriel Mohr, die als Neunjährige bei einem Sportcamp im Kleinwalsertal entdeckt wurde. „Das macht mich schon stolz, wenn ich dazu beitragen kann, das Freestyle-Skifahren größer zu machen.“
Zugleich wächst mit der steigenden Bekanntheit aber auch der Erwartungsdruck – „weniger von außen, sondern vor allem von mir selbst“, wie sie sagt. Ihr großes Ziel seien natürlich die Olympischen Spiele im nächsten Jahr. Zuvor jedoch stehen in diesem Winter noch zwei Weltcups in Frankreich an – und im März die Weltmeisterschaft in der Schweiz. Dort wird Muriel Mohr nach ihren jüngsten Erfolgen nicht mehr als Nachwuchshoffnung starten, sondern mit dem klaren Ziel Finale – und zumindest mit Außenseiterchancen auf eine Medaille.
PATRIK STÄBLER