„Vizekusen? Ich lächle nur noch“

von Redaktion

Bayer-Fan Brink über das Topspiel, Meister-Chancen und das Verlierer-Image

Vorteil Leverkusen: In der bisherigen Saison gab es zwei Duelle, im Pokal siegte die Alonso-Truppe in München, in der Liga gab es ein Remis. © IMAGO/Martin

Julius Brink: Olympiasieger 2012 und Leverkusen-Fan. © Imago

Julius Brink ist Beachvolleyball-Olympiasieger und Vize-Präsident im Deutschen Volleyballverband. Seit vergangenem Jahr ist der 42-Jährige zudem Deutscher Fußball-Meister – also zumindest als Fan. Denn der gebürtige Münsteraner sympathisiert seit der Kindheit für Bayern 04 Leverkusen.

Herr Brink: Lebt es sich seit letzter Saison einfacher als Leverkusen-Fan?

Das war schon eine hervorragende Saison von uns – aus Fan-Sicht kann ich sagen, dass ein Traum in Erfüllung gegangen ist. Wir haben es ja schon ein paar Mal erlebt, oben mitzuspielen, vorne zu sein, aber am Ende die Meisterschaft zu verspielen. Wenn man es mit der Münchner Sicht auf den Fußball vergleicht, ist das schon etwas ganz, ganz anderes. Und das Schöne: Auch heuer bleibt es spannend – und wir spielen superschönen Fußball. Als Bayer-Fan erlebt man gerade eine wirklich schöne Zeit.

Was haben Sie allen gesagt, die Sie ihr halbes Leben lang als „Vizekusener“ aufgezogen haben?

Ich bin nicht derjenige, der nachtritt, nur weil es Fußballnarben auf meinem Herzen gibt (lacht). Aber natürlich kommt man aus den Frotzeleien – vor allem mit den Kölnern – nicht heraus. Mir macht das auch Spaß, ich habe genug Selbstvertrauen dafür. Am Ende ist es nur die schönste Nebensache der Welt, aber die letzte Saison hat schon dazu beigetragen, dass man inzwischen bei der einen oder anderen Anspielung müde lächeln kann…

Also ist Genugtuung da?

Natürlich. Und gerade in meinem Fall muss man es auch einordnen. Ich bin ja ein Kind des Vereins, mit drei Jahren in die Leichtathletikabteilung eingetreten. Damals waren die Fußballer noch Teil des Gesamtvereins, das ist für mich einfach Heimat. Auch in den Phasen der Pubertät und später, als ich monatelang auf Reisen war, war Bayer 04 Leverkusen immer eine Sache, die mich mit Zuhause verbunden hat.

Wer waren denn Ihre Idole in der Kindheit?

Ulf Kirsten, Michael Ballack. Dann auch Bernd Schuster, Rudi Völler in der Hochphase der namhaften Transfers. Auch Christoph Daum habe ich dafür bewundert, wie er seinen Job gelebt hat – die Fehde mit den Bayern inklusive.

In München gibt es die berühmte Bayern-Bettwäsche – was hatten Sie?

Auch Bettwäsche (lacht) – ich musste nicht im Oberbett schlafen. Die war damals noch vom Gesamtverein, also vom TSV Bayer 04 Leverkusen, das Logo sah ein bisschen anders aus. Aber für mich war das eh alles eins.

Wie hat denn der kleine Julius auf den FC Bayern geblickt?

Das war schon immer ein großes Duell. Wenn Bayern kam, wusstest Du: Mit einem Sieg kann man unfassbar viel überblenden, was vorher vielleicht nicht so gut lief. Aber man hatte auch immer ein bisschen Angst (lacht). In dieser Hinsicht denke ich gerne an das Heimspiel in der letzten Saison. Das war der ultimative Beweis dafür, dass man die Bayern schlagen kann und es drauf hat, Meister zu werden.

Die Vorzeichen sind am Samstag ein wenig anders.

Wenn Bayern gewinnt, sind sie elf Punkte vorne – das wäre schon zu viel für den Traum von der Titelverteidigung. Wir alle hier wissen: Man muss dieses Spiel gewinnen, sonst ist Bayern so gut wie durch.

Wie viel Kopf, wie viel Beine spielen mit in solchen Duellen?

Es wurde ja im Vorfeld viel darüber gesprochen, dass Bayern mit den beiden Spielen in Glasgow eine gewisse Vorbelastung hat. Das halte ich für vollkommen übertrieben. Die Bayern-Spieler kennen diese Situation, diese Phasen, in denen es zählt. Und sie wissen, dass man sie überall, wo sie hinkommen, unbedingt schlagen will. Diese Erfahrung macht Leverkusen nun auch, ein Unentschieden gegen den Meister zählt oft für den Gegner wie ein Sieg – deshalb haben wir davon wahrscheinlich zu viele dieses Jahr (lacht). Ich freue mich auf ein Duell auf Augenhöhe, in Köpfen und Füßen.

Hat sich denn die Leverkusener Anspruchshaltung geändert? Fordert man Titel?

Ich finde es immer ein bisschen vermessen, wenn man erwartet, dass so eine Meisterschaft immer wieder gelingen muss. Man muss sich ja auch vor Augen führen, dass das letzte Jahr den Bayern gar nicht geschmeckt hat. Es war doch klar, dass da etwas zurückkommt, dass auch die Achse aus Spielern im Karriere-Herbst – wie Manuel Neuer und Thomas Müller – nochmal richtig gereizt wurde. Ich für mich kann sagen: Ich freue mich auch am Verein, wenn wir nicht Meister werden. Allein die großen Namen, die in der BayArena spielen, dazu die Reise im Pokal, die noch nicht zu Ende ist.

Man könnte Bayern auch nochmal im Champions-League-Achtelfinale treffen…

Das wäre wirklich krass (lacht). Aber ich fände es aus deutscher Sicht gar nicht cool. Da bin ich objektiv genug, um mir ein Duell frühestens im Finale zu wünschen. Showdown in München.

Zuletzt kam nach dem Pokalerfolg gegen Köln der Arroganz-Vorwurf auf. Ist das die Kehrseite des Erfolges? Muss man aufpassen, nicht wie Bayern zu besten Zeiten zu werden?

Ich finde unsere Mannschaft eigentlich fair, kann mir aber vorstellen, dass es sich aus Kölner Sicht unfair angefühlt hat. Da steckte einfach alles drin, was ein Derby ausmacht. Wenn ich aber hier bei uns Zeitungen lese, habe ich den Eindruck, dass sich die Lage schon wieder beruhigt hat. Und so wie es aussieht, werden wir ja im kommenden Jahr wieder zwei Derbys haben…

… mit Xabi Alonso an der Seitenlinie?

Ich hoffe es. Denn er ist einfach ein überragender Typ. Seine Bodenständigkeit ist einmalig, die Werte, die er verkörpert, so wichtig. Erst gestern habe ich gesehen, wie er im Training mit Granit Xhaka ein Tor auf dem Platz hin und her trägt. Da habe ich gedacht: Hoppla! Ob das andere Trainer auch so machen? Er lebt vor, was die Mannschaft ausmacht. Und ich glaube, dass sein Weg auch noch nicht vorbei ist. Er kann hier in Leverkusen noch tolle Arbeit machen.

Mit wem würden Sie gerne mal Fußball spielen – und mit wem Volleyball?

Wissen Sie was – ich träume sogar manchmal davon! Ich bin ja viel im Stadion, sehe seit Jahren, wie die Geschwindigkeit immer weiter zunimmt, die Spieler immer ballsicherer werden. Ich stelle mir dann vor, wie es wäre, wenn ich mitspielen würde. Ob ich zumindest einen Pass spielen könnte?

Und?

Ich sage mal so: Lassen wir lieber die spielen, die es können (lacht). Und andersrum: Jeder, der mit mir Volleyball spielen will, ist herzlich eingeladen. Jamal Musiala zum Beispiel habe ich schon oft mit Basketball gesehen, ich könnte mir gut vorstellen, dass er auch als Volleyballer performen würde.


INTERVIEW: HANNA RAIF

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