Frust hoch fünf: Das Löwen-Team um Kapitän Jesper Verlaat nach der 2:5-Klatsche in Dresden. © Sampics / Cathrin Müller
Dresden/München – Am Tag danach: Neuschnee auf dem Vereinsgelände der Löwen, aber von den Spielern keine Spur. Nach der nächtlichen Rückreise aus Dresden hatte Trainer Patrick Glöcknern seinen 2:5-Verlierern freigegeben. Wunden lecken ist angesagt. Nachdenken, was schief gelaufen ist bei einer Niederlage, die gut und gerne auch höher hätte ausfallen können. Erst heute Nachmittag (15 Uhr) nehmen die Löwen die Vorbereitung auf Bielefeld auf. Das Heimspiel am Freitag um 19 Uhr – es hat nach einem rundherum verpatzten Wochenende wegweisenden Charakter.
Osnabrück gewann 5:1 bei Hannover II, Mannheim fegte Aufstiegsanwärter Rostock mit 5:0 vom Platz. Bei 1860 dagegen stand die Fünf auf der falschen Seite. Klar: In Dresden kann man schon mal unter die Räder kommen, und zumindest nach dem frühen 0:1 durch Daferner (6.) hatten die Löwen eine schnelle Antwort parat – Leroy Kwadwo, später einer von vielen Unglücksraben, netzte nur drei Minuten später zum Ausgleich ein. Danach jedoch: Ex-Löwe Daferner (32.) mit seinem zweiten Treffer. Tim Kloss hatte den erneuten Ausgleich auf dem Fuß, doch das war es dann schon mit der Gegenwehr der am Sonntag nur bedingt abwehrbereiten Löwen. Hoti (39.), Menzel (63.) und Lemmer (71..) schraubten das Ergebnis in die Höhe, zwischendurch hatte 1860 noch Glück bei dem einen oder anderen Alutreffer. Als Maximilian Wolfram in der Nachspielzeit zum Kreidepunkt trat, war das einseitige Match längst entschieden; der verwandelte Handelfmeter zum 2:5 wurde zur Randnotiz in Wolframs 200. Drittligaspiel.
Auch die Löwen „feierten“ am Sonntag Jubiläum: 250. Einsatz in der 3. Liga. Keiner hatte nach dem Aufstieg 2018 erwartet, dass sich 1860 so lange in der ungeliebten und unprofitablen Spielklasse aufhalten würde. Nun wäre man vielleicht froh, wenn es in ein achtes Jahr gehen würde, denn wenn der Trend anhält, könnte der Drittliga-Dino-Status im Sommer enden – nach dann 264 Partien.
Nicht nur am Sonntag nährte das Team den Eindruck, sich des Ernstes der Lage nicht wirklich bewusst zu sein. Umso erschreckender am Montag der Blick auf die Tabelle: 1860 ist punktgleich, aber nach Toren schlechter als vor einem Jahr. Nur Haching kassiert noch mehr Gegentore. Alarmierend ist auch, dass die Löwen es nicht schaffen, mal länger als drei Spiele ungeschlagen zu bleiben, Patrick Glöckner ergeht es da nicht viel besser als Vorgänger Giannikis. Besser läuft es bei der Konkurrenz, denn nicht nur Mannheim und Osnabrück haben ihre Spiele gewonnen, auch Essen siegte, Stuttgart II punktete in Ingolstadt, und sogar Haching hat an der Schwelle zur Regionalliga ein Lebenszeichen gesendet.
„Wir wissen, dass es Phasen gibt, in denen es nicht läuft“, sagte Kapitän Jesper Verlaat, der zumindest verbal schon wieder eine Führungskraft war: „Du kannst nicht immer 90 Minuten gut spielen“, sagte er: „Aber du darfst dich bei weitem nicht so abschlachten lassen.“ Cottbus (1:5), Verl und Saarbrücken (jeweils 0:4) lassen grüßen. „Die Höhe ist brutal“, zeigte sich auch Glöckner erschrocken ob des Leistungsabfalls seiner acht Tage zuvor noch gefeierten Mannschaft.
Am Freitag gegen Bielefeld ist jetzt nicht nur Wiedergutmachung angesagt. Ganz konkret geht es auch darum, sich frühzeitig dem Ziel zu nähern, von dem man glaubt, nach 38 Spieltagen auf der sicheren Seite zu sein. „Wir wissen, dass wir 45 Punkte holen müssen“, sagte Glöckner: „Wichtig ist, dass wir die Niederlage gut analysieren und wieder Klarheit in unser Spiel bringen. Es kann auch schnell wieder in die andere Richtung laufen.“ Falls nicht, geht das große Zittern weiter. Man mag sich nicht vorstellen, was es mit diesem Team macht, wenn es eines Tages sogar mal unter den berühmten Strich abrutscht.
ULI KELLNER