Hat Jannik Sinner gedopt? Ist die Strafe von drei Monaten gerechtfertigt? Oder bekam der Südtiroler Promi-Status bei der Welt-Anti-Doping-Agentur WADA? Eine Menge Tennis-Profis ärgern sich über die milde Strafe und den augenscheinlichen Schummel-Deal. Altmeister Stan Wawrinka sagte gar: „Ich glaube nicht mehr an einen sauberen Sport.“
Zur Einordnung kurz die Fakten: Sinner wurde im März 2024 positiv auf das verbotene und die Regeneration fördernde anabole Stereoid Clostebol getestet. Schuld war angeblich sein Physiotherapeut. Der habe sich am Finger geschnitten, die Wunde mit einem Clostebol-haltigen Spray versorgt und ihn danach behandelt, so Sinner. Passend dazu gibt es Aufnahmen, die Giacomo Naldi beim betreffenden Turnier in Indian Wells mit bandagiertem Finger zeigen. Eine italienische Studie aus dem Jahr 2020 kommt zudem zu dem Ergebnis, dass Clostebol über die Haut übertragbar ist. War es also ein Versehen? Der mittlerweile gefeuerte Ex-Betreuer schwieg lange, ehe er im Herbst mit Blick auf das damals noch laufende Verfahren mitteilte: Er hoffe, er könne früher oder später „alles, was passiert ist, erzählen“. Früher oder später wäre jetzt.
Ob Doping-Absicht bestand oder nicht, ist als Außenstehender schwer zu beurteilen. Das weiß nur Sinner – und vermutlich sein Team. Die im Tennis für positive Proben zuständige Internationale Tennis Integrity Agency als auch die unabhängige Schlichtungsstelle „Sports Resolutions“ glaubte dem Italiener jedenfalls und hob eine vorläufige Sperre komplett auf.
Die WADA sah es zunächst anders, bevor man sich nun auf den krummen 3-Monats-Deal einigte. Sinner muss dadurch mit Ausnahme des Indian-Wells-Turniers keine finanziellen Einbußen oder Punktverluste hinnehmen und kann alle wichtigen Grand-Slam-Turniere spielen. Blöd nur für die BMW Open: Mitte April ist der 23-Jährige noch gesperrt, das Zugpferd wird in München also fehlen. Alexander Zverev, der zweite Superstar des Turniers, fand zu Sinner kluge Worte. Ist er unschuldig, sollte er gar nicht gesperrt werden. Im anderen Fall seien drei Monate keine wirkliche Sperre. Aus dem Urteil entstehen letztlich zwei Probleme. Erstens: Andere Tennis(-Athleten) wurden für ähnliche Fälle (und Erklärungen) viel härter bestraft. Und zweitens: Die vielen Medikamente-Nudelsaucen-Ausreden, die es sowieso schon gibt, dürften in Zukunft noch viel öfter zu hören sein.