Die „Beine“ geschultert: Hari Budha mangelt es nicht an Selbstironie.
Hari Budha Magar ist Ritter des britischen Empire – auf dem Bilde befindet er sich am Mount Everest. © privat
Als Soldat hat er beide Beine in Afghanistan verloren: Hari Budha Magar. Der Nepalese wurde depressiv, trank, wollte sich mehrfach umbringen. Heute ist der Mann einer der bekanntesten Bergsteiger der Welt. Der dreifache Familienvater hat als erster Mensch ohne Beine den Mount Everest bezwungen. Nun ist Hari dabei, die „Seven Summits“ – also den jeweils höchsten Berg eines Kontinents – zu erklimmen. Das Interview.
Am 17. April 2010 hat sich Ihr Leben verändert. Was genau ist passiert?
Wir, damit meine ich das „Royal Gurkha Rifles“ der britischen Armee, waren gerade auf einer Fuß-Patrouille mitten in Afghanistan, als es plötzlich knallte. Wie aus dem Nichts heraus. Ich bin, so haben sie es mir alle nachher erklärt, auf einen „improvisierten Sprengsatz“, in der Fachsprache „IED“, also „Improvised Explosive Device“, getreten. Mein rechtes Bein habe ich gar nicht mehr gesehen, mein linkes baumelte nur noch so unten herum. Mein großes Glück war, dass der Sprengsatz nicht vollständig explodierte, sonst hätte es mich komplett zerfetzt, ich wäre gestorben.
Und dann?
Meine Truppe hat wirklich unfassbar tolle Arbeit geleistet. Sie gaben mir die Möglichkeit, mein Leben noch einmal zu leben. Ich wurde fünf Mal operiert, die Reha dauerte dreieinhalb Jahre. Eine lange Leidensgeschichte.
Danach sind Sie in einem Schlitten die Skipisten hinunter gedonnert, mit dem Fallschirm aus Flugzeugen gesprungen. Haben Sie eine andere Risikoeinschätzung als normale Menschen?
Mein Vater hat immer gesagt: „Wenn wir sterben wollen, sterben wir. Das kann auch dann passieren, wenn wir zu Hause die Treppe runterfallen. Wenn wir aber nicht sterben sollen, sterben wir auch nicht.“ Im Ernst: Wenn wir immer und überall Angst haben, dann dürfen wir auch unser Haus nicht mehr verlassen. Aber ich bin eher ein vernünftiger und verantwortungsbewusster Typ. Das, was ich mache, mache ich ja nicht nur für Ruhm, Geld oder Ehre. Ich mache das, weil ich denke, dass es unbedingt notwendig ist, anderen Menschen zu helfen, andere zu inspirieren.
Sie haben als erster Mensch ohne Beine den Everest bestiegen. Haben Sie nie Angst?
Ich bin nicht bereit zu sterben, ich bin auch nicht bereit, meine Familie und meine Freunde im Stich zu lassen. Schauen Sie, ich bin mit mir im Reinen. Ich hatte zwar diesen fürchterlichen Unfall. Dafür habe ich jedoch in meinem Leben viel mehr erreicht, als ich mir jemals hätte erträumen können. Nun bin ich eben da, um das Bewusstsein für Behinderungen zu schärfen. Ich hoffe, dass meine Erfolge auf den höchsten Bergen dieser Welt andere Menschen dazu ermutigen, ihre eigenen Berge zu erklimmen, ihre eigenen Träume zu verwirklichen. Wie auch immer diese für jeden Menschen aussehen mögen.
Wie kann man wie Sie immer so positiv sein?
Die Frage ist falsch formuliert.
Wie meinen Sie das?
Ich frage Sie: Wie kann man immer so negativ sein? Im Ernst: Das frage ich die Menschen, die ich auf dieser Welt treffe, immer. Wir haben doch fast alle auf dieser Welt die Wahl, wie wir unser Leben leben möchten. Wir bestimmen unser Leben, bestimmen, zu welchem Ziel wir es führen möchten. Ich wurde beispielsweise in einem Kuhstall in Nepal geboren, ging barfuß zur Schule, lernte mit Kreide auf einem Holzbrett schreiben, wurde mit elf Jahren zwangsverheiratet, wuchs im Bürgerkrieg auf. Denken Sie daran: Einige Menschen haben in ihrem Leben keine Wahl. Ich gehörte dazu, habe sie trotzdem genutzt.
Sie wollen die „7 Summits“ besteigen. Den Mount Everest mit 8848 Metern haben Sie schon, ebenso den 6168 Meter hohen Denali in Nordamerika, den Kibo (5895 Meter) im afrikanischen Kilimandscharo-Gebiet und den 4805 Meter hohen Mont Blanc, den höchsten Berg Europas. Welcher der Berge war bisher der schwierigste?
Der mächtige Mount Everest. Er war auch echt sehr gefährlich. Man kann dort oben so viel Sauerstoff verbrauchen, das hätte ich wirklich nicht gedacht. Und wenn dieser einem da oben ausgeht, dann stirbt man. So ist das eben. Deswegen bin ich mit meinem Team glücklich, dass wir den Everest vergangene Saison erklommen haben, sicher unten angekommen sind. Denn von 478 Bergsteigern und Bergsteigerinnen waren nur etwa 250 erfolgreich. Nun werde ich die Tage auf dem Aconcagua in den argentinischen Anden stehen.
Und das alles mit der Unterstützung eines deutschen Unternehmens.
Das Orthopädietechnik-Unternehmen Ottobock hat meine Bemühungen großartig unterstützt, sodass wir gemeinsam Menschen helfen können, ihr Potenzial auszuschöpfen. Sie helfen mir finanziell bei der Verwirklichung meiner Träume, ich ihnen bei der Forschung und Entwicklung.
Sie haben drei verschiedene Befestigungen an Ihren Prothesen für Fels, Eis und Schnee. Wie lange brauchen Sie, um sie am Berg zu wechseln?
Hallo? Ich bin Profi (lacht). Im Ernst: Es dauert nur Sekunden. Das geht fast so schnell wie ein Reifenwechsel in der Formel 1.
INTERVIEW:
ANDREAS HASLAUER