Aus Mindelheim in die weite Welt: Reiner Maurer.
Vertauschte Rollen in Qingdao: Shao ist der Boss, Maurer (hinten im Bild) hört zu. © privat
Jiayi Shao (li.) absolvierte von 2002 bis 2006 58 Spiele für 1860 München © Imago
München – Vom „Löwen“ zum „goldenen Drachen“, vom 1860-Trainer zum Weltreisenden in Sachen Fußball: Der gebürtige Mindelheimer Reiner Maurer, der 146 Mal für die Blauen spielte (zudem u.a. auch für die Bayern, Haching, Stuttgart und Basel) feierte am Sonntag seinen 65. Geburtstag – fernab der Heimat, rund 8500 Kilometer von München entfernt, am Gelben Meer in Ostchina. Maurer lebt seit dem 30. Juli 2024 in Qingdao, einer Stadt mit sechs Millionen Einwohnern, die von 1898 bis 1919 als deutsche Kolonie Kiautschou zum Deutschen Reich gehörte und für ihr Tsingtao-Bier bekannt ist. Dort ist er Co-Trainer beim „Qingdao West Coast Football Club” in der „Chinese Super League” (CSL).
Für Maurer, mit einem Schnitt von 1,75 Punkten (2004 bis 2006) immer noch der erfolgreichste Löwen-Trainer seit dem Abstieg 2004, ist es nach seiner Zeit beim Angthong FC (2015 bis 2017) in Thailand bereits das zweite „asiatische Fußball-Abenteuer“. Schuld daran: Ein anderer Ex-Löwe. Jiayi Shao (44), der von 2002 bis 2006 58 Spiele für 1860 München bestritt und in seiner Heimat den Status eines Superstars genießt, trat im vergangenen Sommer in Qingdao seine erste Cheftrainer-Stelle an. „Da wollte er einen erfahrenen Mann an seiner Seite haben“, erzählt Maurer. Shao erinnerte sich an seinen früheren Coach, mit dem er immer noch in Kontakt stand und der nach seinem Co-Trainer-Aus beim FC Augsburg gerade ohne Job war: „Das ging praktisch über Nacht. Am Freitag hat er mich angerufen, am Samstag habe ich zugesagt, am Sonntag unterschrieben und am Montag saß ich im Flieger nach China“, erzählt der Allgäuer Fußball-Lehrer, der nach der aktiven Karriere nicht nur drei Mal bei 1860, bei Türkgücü München und ganz früher in Garmisch, Miesbach und Memmingen, sondern auch viele Jahre in Griechenland (Kreta, Kavala, Rhodos, Xanthi) tätig war. Aufenthaltsgenehmigung? „Kein Problem“ für einen Mann mit der UEFA-Pro-Lizenz, der die deutsche Bundesliga als Referenz vorweisen konnte: „Ich hab‘ gleich eine für drei Jahre bekommen.“
Jetzt soll er mit dem 40-fachen Ex-Nationalspieler Shao den 2007 gegründeten Club im chinesischen Oberhaus etablieren. Nach fünf Wochen Trainingslager in wärmeren Gefilden (zwei in Dubai, drei auf der Insel Hainan) stehen die „True Warriors“ vor ihrer zweiten Saison in der ersten Liga. An diesem Sonntag ist Saisonstart – gleich mit dem Stadtderby gegen den Hainiu FC. Nur Qingdao und Shanghai haben zwei Clubs in der ersten Liga.
„Unser Ziel ist der Klassenerhalt“, sagt Maurer. „Die Erwartungen steigen, gerade wegen Shao. Man darf aber nicht vergessen, dass der Verein vor ein paar Jahren noch in der vierten, der untersten Liga, gespielt hat.“ Das Niveau? „Gute, 2. deutsche Liga.“
Die ersten Monate verliefen „super-erfolgreich“ für die Ex-Löwen: „Als wir kamen, stand Qingdao auf einem Abstiegsplatz. Wir haben dann aus neun Spielern 15 Punkte geholt und die Saison auf Platz zehn beendet.“ Die Kommunikation zwischen den ehemaligen 60ern klappt problemlos: „Jiayi spricht ja sehr gut Deutsch.“ Die Anweisungen auf dem Platz gibt’s auf Englisch, allerdings müssen manchmal auch Dolmetscher her, um den 30 Spielern (15 Chinesen, drei Brasilianer, zwei Afrikaner) die Anweisungen ihres deutschen Co-Trainers zu erklären. „Mehr als eins, zwei, drei, danke und guten Morgen kann ich auf Chinesisch nicht…,“
Maurer wohnt ganz nahe am Trainingsgelände im Neubau-Viertel „West Coast“ (der District unterstützt „seinen“ Verein auch finanziell). Das liegt allerdings weit außerhalb der City: „Die Fahrzeit beträgt mit dem Taxi 50 Minuten, da muss man über eine 23 Kilometer lange Brücke. Und mit der U-Bahn sind’s sogar anderthalb Stunden.“ Gespielt wird im University City Stadium (20 000 Plätze), die Vereins- und Trikotfarben sind gelb-schwarz. Maurer: „Wie Borussia Dortmund. Vielleicht können wir mit dem BVB ja mal über eine Partnerschaft sprechen.“
Die Temperaturen sind „ähnlich wie bei uns daheim“, der Zeitunterschied beträgt sieben Stunden, die Einheimischen sind „freundlich und immer hilfsbereit“ und die sieben Strände der Küstenmetropole äußerst beliebt. „Ich hab’s perfekt erwischt“, so der Ex-Löwe. „Das einzige, was ich hier vermisse, ist meine Lebensgefährtin Viktoria.“ Bis zum Wiedersehen wird’s noch ein bisschen dauern: „Ab 17. Mai haben wir vier Wochen Pause.“ Zeit, für Gemeinsamkeit in China.
Und die Löwen? Seinen Ex-Club verfolgt Maurer noch am Rande: „Ich schau mir die Ergebnisse und die Tabelle an.“ So bleibt Tochter Celine (25) die einzige Verbindung, die noch zu 1860 besteht. Sie arbeitet seit vier Jahren bei der „Bayerischen“ im Marketing.
THOMAS ERNSTBERGER