Findet kritische Worte: Sky-Experte Hamann. © Imago
Erinnerungen an 2016: Damals scheiterten die Bayern iHalbfinale an Atlético und deren Star Griezmann. © Albarran/Imago
Alle gegen einen: Leverkusen-Star Wirtz bereitete den Bayern vergangene Woche Probleme. Das Bayern-Spiel nennt Hamann „statisches, ideenloses Ballgeschiebe“. © Koch/Imago
München – Didi Hamann steht für Klartext. Der Sky-Experte kritisiert die Bayern nach dem Dusel-Aufstieg gegen Celtic und spricht über die möglichen Achtelfinalgegner Leverkusen oder Atlético Madrid. Seine Meinung: In der aktuellen Form ist Bayern chancenlos.
Herr Hamann, die Bayern sind gegen Celtic nur knapp einer Blamage entkommen. Muss den Münchnern vor dem Achtelfinale Angst und bange sein?
Die Bayern waren wieder nicht gut bzw. schlecht, wie auch schon beim 0:0 in Leverkusen. Sie sind gegen einen Gegner, der bestenfalls europäisches Mittelmaß ist, über weite Strecken des Spiels der Musik hinterhergelaufen. Sie werden sich gewaltig steigern müssen.
Heute wird das Achtelfinale ausgelost. Leverkusen oder Atlético Madrid – welcher Gegner wäre für Bayern denn besser?
Puh… Das ist natürlich ein anderer Wettbewerb und ein anderes Spiel als vergangenen Samstag – aber Leverkusen ist spielerisch besser. Und bei Atlético weiß man: Die können dich auffressen! Wenn sich die Bayern nicht drastisch verbessern, dann wird – egal, gegen wen – Schluss sein in der nächsten Runde.
Wo müssen sich die Münchner konkret steigern?
Am Samstag haben sie in Leverkusen gut verteidigt. Sie haben das gemacht, was sie machen mussten. Spielerisch war das dort aber nichts. Auch gegen Celtic war das, was die Bayern in der ersten Halbzeit und über weite Strecken der zweiten Hälfte gezeigt haben, statisches, ideenloses Ballgeschiebe. Bei den Münchnern bewegt sich aktuell meist nur der Spieler, der den Ball hat. Dieses gegenseitige Helfen – defensiv wie offensiv – war überhaupt nicht zu sehen. Von Spielfreude und Spielwitz ganz abgesehen! Das Tor zum 1:1 haben sie in der Nachspielzeit reingewürgt. Im Moment sind die Bayern von dem, was sie in den ersten zehn bis zwölf Saisonspielen gezeigt haben, meilenweit entfernt.
Die Spielweise von Trainer Vincent Kompany gilt als extrem intensiv. Glauben Sie, den Bayern geht Richtung Saisonfinale die Luft aus?
Das ist möglich. Ich habe in der Hinrunde schon gesagt: Wenn du jedes Mal fünf, sechs Kilometer mehr läufst als der Gegner, ist das über die ganze Saison nicht durchzuhalten. Sollten die Bayern ein Fitnessproblem haben, ist das in zwei Wochen nicht zu beheben. Fakt ist: Im Moment sind die Bayern im nationalen und internationalen Vergleich nicht auf Augenhöhe mit den Titelkonkurrenten.
Sind Sie verwundert, dass Kompany noch nicht in der Kritik steht?
Das geht ja schnell in München. Ich glaube schon, dass der ein oder andere in der Vereinsführung ein kritisches Wort findet. Nur: Man muss die kritischen Dinge bereits ansprechen, wenn man gewinnt. Dazu waren schon viele Möglichkeiten da, die Siege gegen Wolfsburg, Freiburg oder Kiel waren nicht berauschend. Das waren Arbeitssiege. Solche wird es gegen Atlético und Leverkusen nicht geben. Es wundert mich auch, dass sich nach dem 1:1 gegen Celtic Neuer und Stanisic hinstellen und behaupten, die Bayern wären verdient weitergekommen, weil sie besser gewesen wären.
Könnte das nicht ein bewusstes Signal nach außen sein?
Ich weiß nicht, ob sie sich einreden wollen, dass sie besser wären, als sie tatsächlich sind. So wie sie im Moment auftreten, wird es jedenfalls brutal schwer mit einem Finale dahoam.
Nach Manuel Neuer, Alphonso Davies und Jamal Musiala wollen die Bayern demnächst mit Joshua Kimmich verlängern. Würden Sie ihm in der aktuellen Situation dazu raten?
Er wird sich alles genau anschauen. Ich weiß nicht, welche Optionen er hat. Er wird bestimmt nicht für weniger Geld unterschreiben als die Spieler vor ihm. Er ist jetzt 30 Jahre alt. Das wird vermutlich der letzte große Vertrag für ihn – und mit Sicherheit ist es auch die letzte Chance, um noch mal zu einem Topclub im Ausland zu wechseln. Ich habe diesen Schritt schon mit 24 Jahren gemacht. Diese Erfahrung ist unbezahlbar. Ich würde mir an seiner Stelle sehr gut überlegen, wohin es gehen soll.
INTERVIEW: P. KESSLER