Feuer unterm Dach

von Redaktion

Pannenabwehr gepaart mit schlimmer Heimkrise – so wird‘s schwer für 1860

Chaos-Defensive: Im 24. Saisonspiel fingen sich die Löwen die Gegentreffer 47 bis 49 – ein Negativrekord. Sogar Hannover II, der nächste Gegner, steht minimal besser da. © IMAGO

Soll das Profifußball sein? Philipp Maier und Trainer Glöckner haben Zweifel. © IMAGO

Eindrucksvoll, aber verboten: In Spielminute 18 zündeten die 1860-Fans in der Westkurve ein spektakuläres Feuerwerk, Silvesterraketen inklusive. © IMAGO

München – Noch am Sonntag, auf dem Weg zum Wahllokal, war Roman Wöll der Frust ins Gesicht geschrieben. „Erschütternd“, entfuhr es dem Frühaufsteher aus dem Münchner Osten, und damit meinte der 70-Jährige nicht die letzten Wahlprognosen, sondern die Auftritte seiner Löwen. Erst 2:5 in Dresden, gefolgt von einer 0:3-Heimpleite am Freitagabend gegen Dresden. „Der Trainereffekt ist schon vorbei“, grantelte der Allesfahrer: „Wir sind wieder im gleichen Fahrwasser wie unter Giannikis.“

Im Vergleich zu Patrick Glöckner konnte sich zumindest dessen Startbilanz sehen lassen (achtmal unbesiegt). Seit Freitag ist bei 1860 Feuer unterm Dach, nicht nur auf den Rängen, auch mit Blick auf die Tabelle. Viertschlechtestes Team der Rückrunde, die Abstiegszone rückt näher. Fast alles muss besser werden, wenn nicht schon im März, der fünf Spiele bringt, eine Vorentscheidung zu Ungunsten von Wölls Herzensverein fallen soll.

Pannen-Abwehr

42 Tore hatten die Löwen kassiert, als sie die zurückliegende Saison mit Ach und Krach auf Platz 14 beendeten. Schon jetzt, nach 24 Runden, sind es sieben Gegentreffer mehr. Kein Team in dieser Liga hat eine löchrigere Abwehr. Selbst die beiden schlechtesten Teams, Hannover II und Haching, stehen jetzt minimal besser da (jeweils bei 48). Zwar sind Glöckner-Teams eher für schwungvollen Offensivfußball bekannt, trotzdem sind elf Gegentore in fünf Spielen keine Defensivbasis für den sich verschärfenden Abstiegskampf. Und was sagt der Trainer im BR? „Gerade die zweite Halbzeit, nach dem 0:1, war bis auf die Gegentore ordentlich bis gut gewesen.“ Bis auf die Gegentore gut… Auch verbal ist das Giannikis-Fahrwasser.

Heim-Komplex

Nur zwei von zwölf Heimspielen gewonnen – auch mit so einer Bilanz dürfte es schwer werden, die Klasse zu halten. „Wir müssen auf jeden Fall anfangen zu gewinnen, nicht nur zu Hause“, sagte Max Reinthaler, der wie sein Trainer das Gefühl hatte, unter Wert geschlagen worden zu sein: „Wenn ich heute die Leidenschaft nehme: Ich weiß nicht, wie es von außen rüberkam, aber auf dem Platz hat es sich angefühlt, als hätten wir nach der Pause ein Feuerwerk abgebrannt. Die Fans haben uns nach vorne gepusht. Es tut halt dann weh, wenn du kein Tor reinkriegst und in solche Konter läufst.“ Sein Appell: „Wir müssen es jetzt erzwingen, egal wie.“ Am besten schon am Samstag bei Hannover II (14 Uhr) – und im darauffolgenden Heimspiel gegen Dortmund II (Sonntag, 9. März, 13.30 Uhr).

Flatter-Nerven

Was ist die negative Steigerung eines Teams, das vorne nix trifft und hinten anfällig ist? Ein Team, das den Gegner aktiv zu Toren einlädt – wie am Freitag bei allen drei Gegentreffern. Vor dem 0:1 ließ sich Reinthaler am Mittelkreis düpieren: Uldrikis Lupfer zu Grodowski landete ebenso gelupft hinter Marco Hiller im Tor. Später, vor dem 0:2 wie vor dem 0:3, waren es die Löwen, die der Arminia den Ball passgenau in die Füße spielten. Vor allem Julian Guttau, zuvor noch einer der Lichtblicke, durfte sich angesprochen fühlen, als Philipp Maier und Glöckner im Magenta-Talk ihren Frust abluden. „Wir spielen nicht konsequent genug, sind einfach zu naiv“, klagte der Winterneuzugang aus Ulm. Bezogen auf das 0:2 schimpfte er: „Das ist nicht Herrenfußball, nicht Profifußball, sondern einfach dumm.“ Ähnlich vernichtend das Urteil des Trainers: „Wir kriegen total naive Gegentore. Beim 0:3 stehen unsere Innenverteidiger quasi vor dem Stürmer. Es geht darum, in den richtigen Momenten das Richtige zu tun. Im Profifußball werden Fehler extrem bestraft.“

Bitteres Fazit von Allesfahrer Wöll: „Der ganze Verein ist eine Katastrophe.“ Dabei sah er aus wie ein Politiker, der gerade den Einzug in den Bundestag verpasst hat. Hoffentlich hat wenigstens die Partei seiner Wahl am Sonntagabend Grund zur Freude gehabt.
ULI KELLNER

Artikel 1 von 11