War‘s ein Schlittschuhtor von Rieder? © Eibner
Rekordspiel: Gelöster Tobias Rieder. © Red Bull/City-Press
Augsburg – Larry Mitchell, der Sportdirektor und Trainer der Augsburger Panther, fand, die 3:5-Niederlage gegen den EHC Red Bull München am Sonntagabend wäre vermeidbar gewesen: „25:25 Torschüsse, 15:15 Chancen“, verwies er auf die statistischen Daten, „und das ist auch das Spiel, das ich gesehen habe.“ Worin also lag der Unterschied zwischen den Derby-Rivalen? „Wir waren nicht hart genug vor dem eigenen Tor“, monierte der Deutschkanadier Mitchell. Von diesen Mängeln profitierte schließlich der Gast aus München. Und ein Spieler im Besonderen: Tobias Rieder. „Ein wirklich großes Spiel von ihm“, lobte Pierre Allard, der EHC-Assistenztrainer.
Dem 32-jährigen Rieder gelang erstmals ein Vier-Punkte-Spiel in der DEL, erstmals ein Hattrick. Wobei: Er ist erst seit ein paar Monaten in der DEL, mit 16 war er aufgebrochen aus dem Landshuter Nachwuchs ins kanadische Junioren-Eishockey, wurde ein einige Jahre geschätzter Repräsentant deutscher Wertarbeit in der NHL, und von 2021 bis 24 hatte er sich in der schwedischen Liga verdingt, die in Europa den höchsten sportlichen Stellenwert genießt. In der DEL bestritt er erst 44 Spiele – und das in Augsburg hat seine persönliche Bilanz aufpoliert: Jetzt steht er bei 12 Treffern und 13 Vorlagen, 25 Scorerpunkten also, intern Platz sechs unter den Feldspielern. Es ist nicht überragend für einen Spieler, den der EHC als seinen Königstransfer bezeichnet hatte, aber okay. Und es gab ja auch einen Einschnitt in dieser ersten DEL-Saison für ihn.
Am 3. November in Frankfurt war Rieder in Folge eines Fouls mit dem Kopf aufs Eis geknallt, kurz bewusstlos gewesen. Weil danach wegen des Deutschland Cups Pause in der Liga war, verpasste er lediglich vier Spiele. Doch nach der Rückkehr war Rieder ein anderer: 25 Mal blieb er seitdem torlos, in vier Partien kam er nicht einmal zu einem Torschuss. Einmal ging er nach dem ersten Einsatz zurück in die Kabine, weil er sich wegen eines Magen-Darm-Virus unwohl fühlte. Die Nummer acht spielte ziemlich unsichtbar. Erst im Februar sammelte sie wieder Einträge bei Vorlagen und Toren.
Tobias Rieder war durchs „Concussion protocol“ gegangen, die Gehirnerschütterung galt als ausgestanden, sein Einsatz war medizinisch unbedenklich. Doch er war nicht der erste Betroffene, der nur langsam zurück zur Normalität fand. „Die Verletzung“, bestätigte Pierre Allard in Augsburg, „hat ihn sicher ausgebremst.“
Allerdings ist es nicht so, dass der Münchner Trainerstab vorrangig auf den Ertrag an Scorerpunkten schauen würde. Co-Trainer Allard nahm durchaus Fortschritte wahr bei Tobias Rieder in den vergangenen Monaten. „Alle Spieler, die ins Red-Bull-System kommen, müssen sich daran anpassen. Vor allem wenn sie aus Nordamerika kommen.“ Elf Übersee-Jahre mit illustren Stationen (Arizona Coyotes, Edmonton Oilers, Calgary Flames, Buffalo Sabres) haben Rieder geprägt. „Auf der defensiven Seite“, so Allard über die letzten Wochen in München, „hat Tobi wirklich gutes Eishockey gespielt. Was die Offensive betrifft, waren wir immer unbesorgt. Wir wissen: Er kann Tore schießen.“ In Augsburg kurvte er zweimal kratzbürstig in den gegnerischen Torraum, dass die Schiedsrichter ihm den Schlittschuhkick zum 2:0 durchgehen ließen, war auch Glück.
Vier Punkte sammelte Rieder. Wann das wohl das letzte Mal der Fall war? Er dachte nach, fand aber nichts Konkretes. „Wohl, als ich ganz, ganz klein war.“
Auch wenn Rieder als „Zwei-Wege-Spieler“ gilt: München benötigt seinen offensiven Beitrag. Denn das „Secondary Scoring“ ist beim EHC unterentwickelt. Die Paradereihe mit Chris DeSousa (25 Tore), Yasin Ehliz (18) und Taro Hirose (15) ist mit weit über einem Drittel aller 148 erzielten Treffer überrepräsentiert. Insofern war Pierre Allard zufrieden, dass drei der fünf Tore in Augsburg mal ohne Beteiligung der Top Drei zustande kamen.
GÜNTER KLEIN