„Ich kann etwas bewegen“, sagt Schlickenrieder über die Arbeit mit den Athleten. © IMAGO/Memmler
Motivator: Langlauf-Chef Peter Schlickenrieder.
„Sie kann gegen alle Gegner bestehen“: Victoria Carl ist in die Weltspitze gelaufen. © IMAGO/SANDIN
Glanzstunde: Katharina Hennig und Victoria Carl mit der Goldmedaille in Peking. © Imago
Trondheim – Er hat die deutschen Langläufer wieder an die Weltspitze herangeführt. Doch Peter Schlickenrieder sieht sich als Bundestrainer noch längst nicht am Ziel. Mindestens bis Olympia 2026 will der Schlierseer im Amt bleiben. Der Weltmeisterschaft im Langlauf-Mekka Norwegen geht Schlickenrieder mit gemischten Gefühlen entgegen.
Herr Schlickenrieder, Sie gehen Ihrem fünften Großereignis als Bundestrainer entgegen. Was überwiegt – die Vorfreude oder die Anspannung?
Oh, gute Frage. Ich bin einerseits ganz entspannt, weil wir eine erfolgreiche U23-WM hatten. Mit Helen Hoffmann, die sich den Titel geholt hat. Da denkst du dir schon: Ok, cool, da kommen Junge nach. Wir stellen Langlauf auf breitere Beine. Die andere Seite ist, dass wir auf Weltcupebene das ein oder andere Ziel nicht ganz erreicht haben.
Welche?
Na ja, zum Beispiel, dass wir es nicht ganz geschafft haben, Katharina Henning in Medaillenform zu bringen. Sie hat versucht, den Rückstand durch ihre gesundheitlichen Probleme aufzuholen. Immer gefährlich, wenn man etwas aufholen will. Gerade mit Blick auf die zehn Kilometer ist das schon ein bisschen schade. So einer begnadeten Athletin hätte ich das sehr gegönnt. Aber auch Lucas Bögl ist nicht ganz in die Spur gekommen. Ich muss zugeben: Vergangenes Jahr hatte ich zum gleichen Zeitpunkt ein besseres Gefühl. Wir haben einfach mehr Podestplätze gehabt.
Das klingt noch nicht, als ob Sie Ihrem Ziel schon nahe sind, die Verantwortung weiterzugeben.
Grundsätzlich geht es darum, ob ich etwas bewegen kann. Und ich habe das Gefühl, das kann ich. Ich würde irgendwann gerne ein System hinterlassen, bei dem ich weiß: Ok, das läuft. Und zwar auf Seiten der Trainer wie auch bei den Athleten.
Was Letztere betrifft, so haben Sie in Victoria Carl die aktuelle Weltcup-Dritte, der Sie schon zu Saisonbeginn einen Leistungssprung prophezeit haben. Was hat sie, was sie vorher nicht hatte?
Was mir bei ihr sehr gut gefällt: Sie ist eine Athletin, die sich sehr kritisch hinterfragt. Und die Dinge dann auch konsequent verfolgt. Das war nicht unbedingt immer so. Aber ihr tut auch das ganze Umfeld gut, glaube ich. Angefangen von ihrem Freund, der Physio ist. Bis hin zu Axel Teichmann am Stützpunkt oder unserem Frauentrainer Per Nilsson mit all seinem Wissen aus der schwedischen Langlaufschule. Das passt alles sehr gut.
Sie sind auch mit dem Ziel angetreten, mündige und selbstständige Athleten zu formen – insofern dürfte Ihnen die Entwicklung gefallen…
Das ist auch so. Da geht mir das Herz auf. Wobei bei ihr die ganze Entwicklung positiv ist. Ihre Herangehensweise, wie sie alles angeht, um erfolgreich zu sein – das ist etwas, was im ganzen Team ankommt. Früher ist Vici immer wieder belächelt worden. Und jetzt? Ich hatte sie vor zwei Jahren mal gefragt, ob sie nicht mal mit Kindern arbeiten will. Da war sie erst skeptisch. Dann kam sie zu mir und meinte: „Ich kann das?“ Ich habe sie dann auch gefragt, ob sie nicht bei der Trainertagung mal einen Teil übernehmen will. In Willingen, was jetzt nicht der nächste Weg ist. Sie hat das gemacht. Sie ist da hin und hat den doch ziemlich unterschiedlich beweglichen Trainern erklärt, wie man die Übungen macht.
Und sportlich, was trauen Sie ihr bei einem Highlight wie in Trondheim zu?
Das ist schwer zu sagen. Sie weiß, dass sie gegen alle Gegner bestehen kann. Diese Erkenntnis ist schon ziemlich viel wert. Aber für eine Einzelmedaille muss in dieser starken Konkurrenz schon sehr viel passen. Und so viele Podestplatzierungen hat sie in diesem Winter auch nicht gehabt. Ich glaube, mit der Erwartung würde man ihr keinen Gefallen tun. In den Teamwettbewerben schaut das schon anders aus.
Die größten Erfolge der letzten Jahre glückten im Kollektiv. Allen voran das Gold von Katharina Hennig und Victoria Carl im Olympia-Teamsprint 2022.
Das wird auch in Trondheim unsere größte Hoffnung. Die zweite Woche könnte sehr spannend werden. Bei den Frauen rechnen wir uns in der Staffel wie im Team schon etwas aus. Und ich hoffe, dass auch die Männerstaffel zumindest um die Medaillen mitkämpfen kann. Im Einzel will ich die Erwartungen nicht so hoch schrauben, mit einer Medaille wird es da sehr, sehr schwer.
Das Fieber, das in Ihrem Team grassiert, dürfte nicht helfen.
Es hat uns schon einigermaßen hart getroffen. Quasi das gesamte Sprint-Team hatte Fieber. Coletta (Rydzek., Anm. d. Red.) ist zwar jetzt wieder gesund, aber nach der Krankheit noch nicht wieder voll da. Für Laura (Gimmler) ist es ganz bitter, die war echt super drauf.
Zu allem Überfluss fehlen dem Team auch noch rund 40 Gepäckstücke.
Ja, der Fri (Moch) ist heute mit einer rosa Mütze gelaufen, hat sich die Mütze von der Laura ausgeliehen. Früher war das ein Mordsdrama. Jetzt wird von Zimmer zu Zimmer gegangen, dann hat man in einer halben Stunde das Zeug zusammen. Das ist Teamstärke.
Bei den letzten Weltmeisterschaften spielte der Langlauf eher eine Nebenrolle. Das dürfte jetzt im Mekka Norwegen anders sein, oder?
Ich habe einfach nur eine Riesenfreude. Dort steht alles im Zeichen des Langlaufs. Auch die Strecken sind wie gemacht, um am Rand zu zelten und dieses Ereignis zu genießen. Das wird ein riesengroßes Fest.
INTERVIEW: PATRICK REICHELT