„Normalität gibt es nicht mehr“

von Redaktion

Eisbären-Chef Bothstede über Berliner Trauerarbeit und Don Jackson

Gruß in den Himmel: Teamkollege Marcel Noebels. © IMAGO

Thomas Bothstede ist Geschäftsführer der Eisbären Berlin. © Imago

„Nicht für Tobi, mit Tobi“: Eder soll unvergessen bleiben. © IMAGO

Thomas Bothstede ist Geschäftsführer des Deutschen Eishockey-Meisters Eisbären Berlin, der heute (19.30 Uhr) beim EHC Red Bull München antritt. Beide Vereine tragen Trauer: Am 29. Januar verstarb Eisbären-Stürmer Tobias Eder, sein Bruder Andreas spielt für München. Bothstede übernahm einen großen Teil der öffentlichen Trauerarbeit. Nun geht es um die Rückkehr in den Eishockey-Alltag.

Herr Bothstede, Ihr Verein hat den Tod seines Spielers Tobias Eder zu verarbeiten. Wie geht es den Eisbären?

Den Umständen entsprechend gut. Eine Normalität, wie wir sie kennen, wird es in dieser Saison auf keinen Fall mehr geben. Ob jemals wieder nach dem, was wir in den letzten Monaten und vor allem Wochen erleben mussten, weiß ich nicht.

Trotzdem: Mit der Trauerfeier für Tobi Eder in seiner Heimat Miesbach hat man die härteste Zeit abgeschlossen und versucht einen Neustart. Nicht für, sondern mit Tobi, wie Sie es formulierten.

Das ist es, was wir versuchen – und immer noch schwierig ist. Mit Tobi ist nicht nur ein Kollege, sondern ein Freund gegangen, der zuletzt auch eng mit der Geschäftsstelle war.

Man hat den Eindruck, dass Sie als Geschäftsführer versuchen, die Mannschaft zu entlasten. Sie haben in der Uber Arena beim ersten Spiel nach Tobi Eders Tod gesprochen, dann auf der Trauerfeier.

Ich habe das Glück gehabt, die Familie Eder und Tobi eng zu kennen, und ich habe in dieser Situation unsere Trainer, unsere Spieler, ihre Partnerinnen noch näher kennengelernt – es gehört zu meiner Fürsorgepflicht, sie alle zu schützen.

Das Eishockey und der Sport im Allgemeinen hatten schon einige Fälle von Krebserkrankungen bei teils auch sehr prominenten Persönlichkeiten. Im Bild vom Leistungssport ist der Gedanke verankert, es werde schon alles gut werden. Wie war es bei Ihnen und Tobi Eder?

Es war ein Wechselbad der Gefühle. Die erste Nachricht (im Sommer 2024, d. Red.) war ein Schock. Als man die Art der Erkrankung erfuhr, wusste man: Das wird schwierig. Tobi selbst aber war so ein fröhlicher Mensch, so ein Kämpfer, wenn man ihn gesehen und gehört und als man die ersten Testresultate vernommen hat, da hat man gedacht: Der Junge schafft das. Ob auch zurück aufs Eis, das war zweitrangig. Am Schluss ging es so rapide schnell bergab, damit hätten wir nicht gerechnet, das hat uns den Boden unter den Füßen weggezogen.

Wie erhält man Professionalität in diesen Momenten aufrecht?

Man funktioniert halt. Ich kann nur für mich sprechen: Ich habe eine Position, da kann ich nicht derjenige sein, der die Unterstützung benötigt, sondern der für die anderen da sein muss. Von Tag eins, als Tobi mich anrief, bis zur letzten SMS, die ich ihm schrieb und auf die er nicht mehr antwortete, musste ich der Geschäftsführer sein. Aber wenn ich alleine oder bei meiner Familie bin, da bin ich der Thomas, und da lasse ich meinen Gefühlen freien Lauf.

Harter Themenwechsel. Als Tobi Eder noch lebte, kam es in München zum Comeback von Trainer Don Jackson. Sein erstes Spiel war in Berlin, ausgerechnet zu dem Termin, an dem die Eisbären ihn als ihren fünffachen Meistertrainer mit einer Zeremonie ehrten. Was hat Jacksons Rückkehr in München verändert?

Man hat den Eindruck, Don muss nur auftauchen. Der Mann hat eine Aura, auch in Berlin immer noch. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass er in München einfach in die Kabine gegangen ist und gesagt hat: ,Hallo, hier bin ich wieder, legen wir los.‘

Obwohl es unter Jackson beim EHC aufwärts geht: Die Eisbären haben sich in den vergangenen Jahren schon vor München geschoben, oder?

Den sportlichen Erfolg bestimmen oft Kleinigkeiten, und es gibt nicht die unfassbar großen Unterschieds. Wenn man noch Mannheim dazu nimmt und mittlerweile Bremerhaven und Ingolstadt, kann man nicht sagen, dass diese vor jenen sind. In dieser Liga kann fast jeder Meister werden. Ich denke, wir haben München nicht überholt, sondern sind vielleicht eine Nasenspitze voraus.

Der Münchner SAP Garden…

… der jetzt die modernste Arena ist…

… hat über 300 Millionen Euro gekostet. Er läuft gut, das ausverkaufte Haus mit 10796 Besuchern ist fast Standard. Die Fans wundern sich, dass trotzdem nicht mehr Geld in die Mannschaft fließt. Berlin hat eine noch größere Spielstätte und ebenfalls Topzahlen – können Sie das Verhältnis von Einnahmen und Kosten erklären?

Die Münchner Verhältnisse kenne ich nicht genau. Wir haben in Berlin eine Auslastung von 98 Prozent (14028. d. Red.), das ist gigantisch, aber das heißt nicht, dass man das Geld voll zur Verfügung hat. Man budgetiert, und wenn das 90 Prozent Auslastung sind, wären das, was extra da ist, acht Prozent. Aber auch hier ist festzuhalten, dass die Kosten eines Spieltags steigen, je höher die Auslastung ist. Und die Kosten steigen jährlich in sehr vielen Bereichen.

Am Anfang erlebt eine neue Arena immer eine Art von Tourismus. Wie verfestigt man den Zustrom?

In den ersten ein zwei Jahren kommen viele, um sich die Arena anzugucken. Auch Auswärts-Fans. Wir waren zum ersten Spiel in München mit dem Sonderzug mit 1500 Fans, das wird nicht in jedem Jahr so sein. Ich habe den Eindruck, dass die Arena in München angenommen wird, das Schwierigste ist es, die Leute dann auch zu halten. Uns in Berlin gelingt das offensichtlich, wir tun etwas dafür, haben bestimmte Ticketangebote, die sich an Personen richten, die nicht so häufig bei uns sind oder waren. Kleine Pakete zum Saisonstart etwa für die ersten vier Freitags-Spieltage, oder man bekommt einen Schal dazu. So versuchen wir die zu begeistern, die keine Hardcore-Fans sind, damit sie vielleicht mal zu Dauerkartenkäufern werden.

Vor drei Jahren gelang es dem EHC, mit Mathias Niederberger Ihren wichtigsten Spieler abzuwerben. Das war aber das letzte erfolgreiche Wildern in Berlin. Den aus Bad Tölz stammenden Torjäger Leo Pföderl, der gut ins Münchner Team gepasst hätte, haben Sie gerade bis 2029 an die Eisbären gebunden.

Den Leo haben wir gut geschützt. Er ist auf dem Eis nicht so schlecht und darüber hinaus ein feiner Kerl, der sich in Berlin wohlfühlt. Wir freuen uns, dass er noch nicht zurück nach Bayern geht.


INTERVIEW: GÜNTER KLEIN

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