„Wir haben betrogen“

von Redaktion

Manipulierte Anzüge: Norwegens Skispringer liefern der WM einen Skandal

Weltmeister im Zwielicht: Marius Lindvik. © Schmidt/dpa

Trondheim – Der nordische Skisport befindet sich pünktlich zum Ende der WM in Trondheim mal wieder inmitten eines riesigen Skandals und muss in den kommenden Monaten womöglich ein systematisches Betrugssystem im Skispringen aufdecken. Großer Aufreger sind mehrere anonyme und verwackelte Videos aus der Anzugschneiderei der Norweger. Der Vorwurf: Die Top-Nation aus Skandinavien hat wissentlich und im Beisein von Chefcoach Magnus Brevig Anzüge manipuliert und sich so einen unzulässigen Vorteil verschafft. Sportdirektor Jan Erik Aalbu gestand am Nachmittag mit Blick auf die illegal veränderten Anzüge von Marius Lindvik und Johann André Forfang wissentliches Fehlverhalten.

„Wir haben betrogen und damit alle Skisprungfans enttäuscht, auch uns selbst. Ich möchte mich bei den anderen Teams, den Springern, den Sponsoren und den Fans entschuldigen. Wir werden der Sache auf den Grund gehen“, sagte Aalbu bei einer Pressekonferenz im Teamhotel. Der 61-Jährige las zunächst ein Statement auf Norwegisch und später auf Englisch vor und stellte sich zudem den zahlreichen Fragen von rund 40 Journalisten.

Das Ausmaß der Betrügerei ist aber weiterhin unklar. Denn: Aalbu erklärte, er selbst habe von den Praktiken vorab nichts gewusst. Auch konkrete Konsequenzen konnte der Funktionär nicht benennen. Er kündigte interne Folgen an. Laut Aalbu waren nur die vom Weltverband Fis überführten Anzüge von Lindvik und Forfang manipuliert – und nur für dieses eine Springen. Wirklich glaubwürdig wirkten diese Aussagen nicht.

Die Norweger haben eine nicht erlaubte Naht angebracht, die für mehr Stabilität sorgen soll. Die zusätzliche Stabilität hilft den Springern beim Fliegen in der Luft. „Anscheinend haben sie vom Knie weg bis zum Schritt auf der Innenseite ein steifes Band eingenäht“, beschrieb Österreichs Cheftrainer Andreas Widhölzl. Polen, Slowenien und Österreich forderten nicht nur einen Ausschluss vom letzten Einzel, sondern auch eine Annullierung aller norwegischen Ergebnisse bei den Titelkämpfen von Trondheim. Der famose WM-Titel des Slowenen Domen Prevc ging komplett unter.

Neben dem norwegischen Sprung-Team gab auf der größten Bühne des Sports auch die Fis um Rennleiter Sandro Pertile und Material-Kontrolleur Christian Kathol ein schlechtes Bild ab. Kathol sagte vor dem Wettbewerb noch, alle Anzüge seien gecheckt und für regelkonform befunden worden. Dann folgten nacheinander die Disqualifikationen für Kristoffer Eriksen Sundal, Forfang und Lindvik, der eigentlich Silber gewonnen hätte.

Von der Kontrolle überführt zeigte Norwegens Team Reue. „Wir haben einen Regelverstoß begangen“, räumte Trainer Brevig ein. Der schwer in die Defensive geratene Sportdirektor Aalbu übernahm zwar die Verantwortung für die drei Disqualifikationen, wies ein systematisches Muster zunächst noch zurück.

Die Frage ist nun nach der Konsequenz, auch um Vertrauen zurückzugewinnen TV-Experte Hannawald schlug vor, Kontrolleur Kathol künftig bei der Überwachung der Anzüge durch eine Maschine zu ersetzen.

Andreas Wellinger, der auf der kleinen Schanze hinter Marius Lindvik um das verlorene Gold zu trauern, als er eine nachdenkliche Botschaft vom Flughafen schickte: „Was wäre denn bei den anderen Wettkämpfen gewesen, wo ich sehr nah dran war und wir als Team sehr nah dran waren?“
DPA

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