Gibt 1860 Haching den Rest?

von Redaktion

Löwen wollen im womöglich letzten Derby alte Rechnungen begleichen

Raubt er seinem Ex-Club die letzte Hoffnung? Patrick Hobsch, vor der Saison von Haching zu 1860 gewechselt.

Vorstädter im Vorteil: René Vollath, der Ex-Hachinger, leitet mit einem Fehlgriff das Totopokal-Viertelfinal-Aus der Löwen ein (1:3 am 16. November). Auch in der Liga wartet 1860 seit Februar 2021 auf einen Derbysieg. © IMAGO / Eibner, Sampics / Matzke

München – Die fünfminütige Nachspielzeit hatte gerade begonnen, da bot sich den Löwen doch noch die Chance zu einem Drei-Punkte-Streich. Jesper Verlaat köpfte einen Freistoß von Tunay Deniz ins Strafraumgetümmel, dort lauerte Patrick Hobsch, der zur Halbzeit gekommen war. Ein artistischer Seitfallzieher, vielleicht ein bisschen zu unplatziert – Wiesbadens Torhüter stand goldrichtig und pflückte sich die Kugel. Nichts war‘s also mit dem dritten Sieg in Folge, der für 1860 ein Meilenstein im Abstiegskampf gewesen wäre – und für Hobsch die perfekte Einstimmung auf das Finale dieser Englischen Woche.

Was für ein straffes Programm vor der anstehenden Länderspielpause! Der Rhythmus: Sonntag, Mittwoch, Samstag. Die Gegner: BVB II (1:0), SV Wehen (0:0) und Unterhaching, der gemeinsame Ex-Verein von Hobsch, Ersatztorwart René Vollath und Rekonvaleszent Raphael Schifferl.

Ausgerechnet Haching, der Angstgegner der zurückliegenden zwei Jahre, fordert die müden Löwen, die erst in der Nacht zum Donnerstag aus Wiesbaden zurückgekehrt sind. Haching hatte schon am Dienstag gespielt – und eine weitere große Chance auf die Trendwende ausgelassen: 1:2 gegen Verl. Die SpVgg bleibt abgeschlagen Letzter. Vom Tabellenplatz sollten sich die Löwen aber nicht täuschen lassen, denn die jüngsten Vergleiche waren wenig schmeichelhaft aus Sicht des Favoriten: 0:1 und 0:2 (Spielzeit 2023/24), im Hinspiel dieser Saison dann ein wildes 2:2, gefolgt von einer Tracht Prügel im Totopokal: 1:3 im eigenen Stadion.

„Wir wissen, was auf uns zukommt“, sagt 1860-Trainer Patrick Glöckner, der sich mit Videos auf das S-Bahn-Derby eingestimmt hat: „Die Hachinger haben gesagt, dass es für sie ein Highlight-Spiel ist – für uns ist es das auch.“

Im letzten Aufeinandertreffen für womöglich längere Zeit geht es für 1860 darum, die alte Derby-Hackordnung wiederherzustellen. Zur Erinnerung: In der Ära Köllner/Mölders konnten die Löwen fest mit sechs Derby-Punkten pro Saison planen, angefangen beim spektakulären 3:2 Ende 2019 inklusive Mölders-Doppelpack, über das 3:0 im Geister-Rückspiel (Corona!), dem klaren 2:0-Auswärtssieg im Oktober 2020 – bis hin zum 3:1 am 26. Februar 2021, ebenfalls mit Mölders-Tor und weiterhin ohne Zuschauer. Es war der Schlusspunkt der ersten Drittliga-Derbyphase beider Rivalen; danach verschwand Haching für zwei Jahre in der Regionalliga.

Doch sind die Löwen überhaupt frisch genug für einen Derby-Fight? War die Englische Woche inklusive Auswärtsfahrt und nächtlicher Bus-Rückkehr um 3 Uhr morgens nicht zu belastend? Glöckner, der selber Profi war, sagte beim Pressetermin am Freitag: „Wenn man die Spieler fragt, sind sie alle fit – und alle heiß.“ Auch die Profis, die am Mittwoch am meisten leiden mussten, hätten sich derbytauglich gemeldet: Kapitän Jesper Verlaat, der während des Spiels an der Leiste behandelt wurde. Und Andy Lucoqui, der sich vor Erschöpfung auf dem Rasen übergeben hat. „So was wollen wir sehen“, sagte der Coach und meinte damit nicht den Auswurf, sondern die Einstellung und das Durchhaltevermögen des Linksverteidigers.

„Für uns ist es ein Endspiel“, sagt Glöckner angemessen pathetisch: „Es hat Pokalcharakter. Endspiele geht man immer an, als wenn es das letzte Spiel wäre.“ In diesem Fall durchaus wörtlich zu verstehen. Mit einem Sieg könnte 1860 den Hachingern den Rest geben. Der Sturz in die Regionalliga wäre für die SpVgg dann kaum noch zu vermeiden.
ULI KELLNER

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