INTERVIEW

„Wir schenken nichts ab“

von Redaktion

Union-Geschäftsführer Heldt vor dem Bayern-Duell

Im Herzen ein Blauer: Ex-Löwe Horst Heldt hat dennoch „absoluten Respekt“ vor den Bayern. © IMAGO

Das Hinspiel gewannen die Bayern 3:0, Kane (l.) traf doppelt. © IMAGO/Bernd Feil/M.i.S.

Seit Juli 2024 ist Horst Heldt Geschäftsführer Profifußball beim 1. FC Union Berlin. Und empfängt am Samstag (15:30 Uhr) den FC Bayern. Im Interview spricht der ehemalige Löwen-Spieler über Stress im Abstiegskampf, Wettbewerbsverzerrung und Max Eberl.

Herr Heldt, haben Sie am Dienstag Fußball geschaut?

Natürlich. Konzentriert bis zum 1:0 – dann wurde ich ehrlich gesagt unaufmerksamer.

Aufgrund der Erkenntnis, dass die Verhältnisse wieder gerade gerückt sind in Fußball-Deutschland – und Sie am Samstag auf die beste deutsche Mannschaft treffen?

Das war auch vorher schon die Annahme (lacht). Die Bayern konnten das vielleicht in der letzten Saison nicht so zeigen, während Leverkusen eine einzigartige Saison gespielt hat. Aber wenn man es auf Jahre betrachtet, ist und bleibt es so, dass der FC Bayern die beste deutsche Mannschaft ist.

Sie haben zu Kölner Zeiten mal gesagt: „Die Bayern kommen immer zur Unzeit.“

Und daran hat sich nichts geändert. Ich habe es selbst schon in der Vorbereitung erlebt. Mit Schalke waren wir ja einige Jahre im Wintertrainingslager in Doha parallel zu den Bayern, unter Jens Keller haben wir gleich zum Start in die Vorbereitung eine schöne Klatsche bekommen. Ich habe ehrlicherweise noch nie gesagt: Jetzt kommen die Bayern genau richtig. Aber…

Aber?

… nichtsdestotrotz ist es immer das Bestreben, sich mit ihnen zu messen und zu versuchen, die wenigen Möglichkeiten, die sich bieten, auch zu nutzen. Es ist ja nicht so, als hätten sie noch nie ein Spiel verloren. Ich will hier nicht vermitteln, dass wir bereit sind, etwas abzuschenken.

Immerhin haben Sie sich zur genau richtigen Zeit einen Puffer auf den Relegationsrang erarbeitet – nimmt das dem Spiel ein wenig Brisanz aus Berliner Sicht?

Wir können bei diesem Spiel nur gewinnen. Wir spielen das Spiel nicht, weil es gespielt werden muss. Für jeden einzelnen Spieler ist es gut, sich mal mit den Besten der Besten zu messen.

Hat man als Ex-Löwe Bayern-Abneigung im Herzen?

So würde ich es nicht ausdrücken. Aber dass meine Sympathie bei den Blauen liegt, ist ja klar. Dennoch habe ich absoluten Respekt vor all dem, was sich die Bayern erarbeitet haben. Diese Leistung muss man auch durch die blaue Brille neidlos anerkennen.

Sie sagten mal, Abstiegskampf sei „Stress pur“ – stehen Sie trotzdem nach wie vor jeden Morgen „mit einem Lächeln auf“?

(lacht) Es gibt positiven und negativen Stress – und Abstiegskampf ist natürlich von negativem begleitet. Die Ausschläge um einen herum sind enorm, man muss sie kontrollieren.

Gilt das auch für die Affäre um den Punktabzug im Zuge des Bochum-Spiels?

Nein. Denn Ungerechtigkeit bleibt Ungerechtigkeit. Dass letzte Woche über Wettbewerbsverzerrung gesprochen wurde, weil Bochum gegen einen durchrotierten FC Bayern gewonnen hat, fand ich zum Beispiel unpassend. Der FC Bayern ist nicht für andere Vereine verantwortlich. Aber das, was am grünen Tisch passiert ist, ist Wettbewerbsverzerrung. In vielerlei Hinsicht ist es eine absolut falsche Herangehensweise, Fans durch diese Maßnahme erziehen zu wollen. Der Punktabzug hat nicht dazu geführt, ähnliche Vorkommnisse beim Derby Braunschweig gegen Hannover zu verhindern. Ich will diese Vorfälle nicht verherrlichen, aber Menschen ändern sich nicht durch Entscheidungen am grünen Tisch. Für mich ist der Fall nach wie vor eine unfassbare Ungerechtigkeit.

Das Motto lautet nun: Jetzt erst recht! Wie groß ist aber der Vorteil im Abstiegskampf in einem Verein, den Sie als „große Familie“ bezeichnen?

Groß. Man spürt dieses besondere Gefühl jeden Tag, besonders in schwierigen Momenten. Beispielsweise nach der Klatsche in Dortmund. Da zeigen sich Stärke und Zusammenhalt besonders, sie sind auch noch Tage danach spürbar.

Dirk Zingler ist seit 20 Jahren im Verein – ist er der Uli Hoeneß von Berlin?

Ich weiß nicht, ob es mir zusteht, das so zu sagen. Aber natürlich ist Kontinuität in der Führung ein Pfund. Ein Riesen-Schlüssel in diesem Verein ist, dass sich die Menschen seit Urzeiten kennen, sich zu Union bekannt haben, als man nicht in der Champions League, sondern in unteren Regionen gespielt hat. Krisenmanagement lässt sich besser bewältigen, wenn du weißt, wen du an deiner Seite hast.

Max Eberl hat neulich erzählt, er gönnt sich auch mal Stunden ohne Handy. Sie auch?

Nein. Da komm ich nicht raus – will ich aber auch gar nicht. Ich will mich nicht wichtiger machen, als ich bin, aber es würde mich unruhiger machen, ohne Handy unterwegs zu sein. Ich bin aber auch niemand, der sich nach intensiven Zeiten wochenlang erholen muss. Das habe ich aus meiner Spielerzeit mitgenommen. Ich kann meine Akkus schnell wieder aufladen.

Beneiden Sie Eberl eigentlich um seinen Job – oder ist es der leichteste und schwerste der Bundesliga zugleich?

Das trifft es gut. Ich habe schon immer eine hohe Meinung von Max gehabt. Er ist ein kollegialer Partner, auf den man sich immer verlassen kann. Bei Bayern hat er eine große Chance, immer um Titel zu spielen. Aber der Ausschlag ist – wenn es mal nicht läuft – schon extrem. Das muss man mögen – und können.


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