Bundestrainer Julian Nagelsmann. © Woitas/dpa
Dortmund – Die Weltmeisterschaft 2026 in den USA, Kanada und Mexiko ist gefühlt noch ganz weit weg. Für die Fans. Nicht aber für Julian Nagelsmann. Er verkürzt die Distanz zum Großereignis, denn er rechnet nicht in Monaten. „Es sind noch 14 Spiele.“ Wie wenig Zeit ihm zur Verfügung steht, erläutert der Bundestrainer an der Maßnahme, die gerade begonnen hat: Am Montag traf sich der von ihm nominierte Kader im Dortmunder Hotel L’Arrivee. „Weil die Stuttgarter und die Leverkusener das späte Spiel am Sonntag hatten, bleiben uns gerade mal eineinhalb Trainingseinheiten.“ Dann (am Donnerstag, 20.45 Uhr) muss die Mannschaft sich bereits bewähren – im Hinspiel des Nations-League-Viertelfinales in Mailand gegen Italien.
Länderspiele im März sind immer eine kritische Angelegenheit. In den Clubs spitzt sich die Lage zu, dieser Alltag hat Priorität. Einigen Spielern haben sieben, acht Monate der Saison zugesetzt, sie spüren den Verschleiß oder eine schwere Verletzung hat sie erwischt wie Florian Wirtz oder England-Legionär Kai Havertz. Das hat die Nominierung erschwert. „Wir haben versucht“, so Nagelsmann, „Qualität durch Qualität zu ersetzen.“ Und selbst wenn man beim Können der Ersatzleute Abstriche machen muss, so seien sie doch „Jungs, die brennen“.
Das Jahr 2025 birgt zwei zusätzliche Tücken. Im Juni steht neben dem möglichen Final Four in der Nations League, das Deutschland erreichen will und es auch ausrichten würde, auch noch die U21-Europameisterschaft an und die Club-WM der FIFA, eine im Format mit 32 Vereinen große Premiere. Das beeinflusst auch die Planungen der A-Nationalmannschaft.
Nagelsmann hätte Interesse gehabt, sich Nick Woltemade anzuschauen. Der ehemalige Bremer spielt beim VfB Stuttgart eine starke Saison, am Sonntag gegen Leverkusen erzielte er wieder ein Tor, er ist ein Stürmer, wie es ihn selten gibt: Ein Riese, der aber nicht mit Kopfbällen punktet, sondern mit seinen Fähigkeiten am Boden. „Ich hätte auch sagen können: Ober sticht Unter – doch Nick Woltemade überlasse ich meinem Kollegen Antonio di Salvo und der U21. Ich will auch in der Gesamtheit des DFB denken.“ Zum großen Bild gehört, dass die U21 im Sommer bei der EM den Shootingstar Woltemade benötigt, weil da etwa der Dortmunder Karim Adeyemi nicht zur Verfügung stehen wird. Ihn wird sein Verein für die Club-WM vorsehen, für die der BVB einer von zwei deutschen Vertretern ist. Deswegen wurde Adeyemi jetzt von Antonio di Salvo an Julian Nagelsmann abgetreten. „Es wäre sicher schwerer für Karim, wenn alle Spieler fit wären“, sagt der Chef-Bundestrainer. Er will ihn jedoch keinesfalls geringschätzen: „Sein Tempo ist eine Komponente, von der wir wenig haben. Und er ist stabiler als letztes Jahr.“
Nagelsmann ist das Viertelfinale der Nations League aus zwei Gründen wichtig. „Es geht um die Weltrangliste.“ Man braucht kein Rechenkünstler zu sein: Deutschland ist Zehnter, Italien Neunter, das würde sich umkehren im deutschen Erfolgsfall. „Und das würde es uns bei der WM-Auslosung leichter machen, einen schweren Gegner zu vermeiden.“ Zum Beispiel Mexiko in Mexiko. Man hat noch genug von der WM 2018 und von Mexiko in Moskau. 0:1, Katastrophenstimmung.
Der andere Grund: Der Bundestrainer blickt bewundernd auf Argentinien und Spanien, die amtierenden Champions von Welt und Europa. Bei beiden krönte der Titel eine lange Phase der Ungeschlagenheit. Als es noch nicht wichtig schien, hatten diese Mannschaften begonnen, Serien aufzubauen. Die deutsche Nationalmannschaft hatte seit dem EM-Aus sechs Spiele, von denen sie bei zwei Unentschieden vier gewann. Diese sechs plus die 14 folgenden – ergäben 20 von der EM bis zur nahen WM.
GÜNTER KLEIN