ZUM TAGE

Wohligkeit wie einst bei Köpke

von Redaktion

Oliver Baumann Nummer eins

Oliver Baumann als Nummer eins im Tor der deutschen Fußball-Nationalmannschaft, das ist wie eine Interims-Weltmeisterschaft im Boxen. Wenn der eigentliche Champion gerade unpässlich ist, wird eine Art Stellvertretergürtel vergeben. Auch die DFB-Elf erlebt in Abwesenheit des verletzten Marc-Andre ter Stegen ein Interregnum.

Bundestrainer Julian Nagelsmann hat ein paar Spiele lang herumgecastet – und ist zum Schluss gekommen, dass er Oliver Baumann von der TSG Hoffenheim eine Torwarthandschuhgröße vor Alexander Nübel sieht.

Das ist eine vernünftige Entscheidung. Denn gegen Oliver Baumann ist nichts einzuwenden. Er hat jahrelang im Training des DFB für die Unterhaltung von Manuel Neuer, ter Stegen, Kevin Trapp und Bernd Leno gesorgt, er hat stillschweigend den Platz auf der Bank eingenommen und in der Kabine die Feldspieler-Neuankömmlinge begrüßt, die dann ihr erstes Länderspiel machten, auf das er warten musste, bis er kürzlich erlöst wurde. Oliver Baumann hat keine Tattoos, er zeigt kein Protzgehabe, er fängt einfach nur Bälle. Er erinnert uns an Andy Köpke, der sich in den 90er-Jahren die Nummer eins ersaß wie ein Beamter die nächste Beförderung. Die einzige Flippigkeit des Kielers (wir waren stets versucht, ihn eine Kieler Sprotte zu nennen) war 1998 die Teilnahme an einem Danone-Werbespot, in dem er sang. Köpke hat nie für Spitzenvereine gespielt, sondern sich in Mittellagen eingenistet, bei Baumann ist es genauso. Baumann verbreitet vertraute Köpke-Wohligkeit.

Bei Alex Nübel weiß man halt nicht so recht. Er gehört ja dem FC Bayern, hat mit den Münchnern aber doch nicht so richtig zu tun. Schon sehr lange ist er als Nachfolger von Manuel Neuer vorgesehen, aber immer noch auf fernen Parkplätzen: Monaco, Stuttgart. Er liefert gelegentlich tolle Paraden, doch auch Tolpatschigkeiten. Die Vertretung durch sein Management war rund um sein (verlorenes) Jahr bei den Bayern nicht so, dass Herausforderer Nübel die Herzen zugeflogen wären. Manche mögen gar schadenfroh gewesen sein, als er im vergangenen Sommer aus dem EM-Kader gestrichen wurde. Zu Oliver Baumann entwickelt man zumindest keine negativen Gefühle.

Würde man sich einen deutschen Nationaltorwart basteln oder eine KI bitten, das zu tun, käme wahrscheinlich ziemlich genau Oliver Baumann heraus. Inklusive des Namens.

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