2019 in Las Vegas. © IMAGO/Xavier
Bis heute legendär: das Duell 1995 mit Axel Schulz.
Goerge Foreman mit seiner vielköpfigen Familie – seine Söhne heißen alle George. © X, Rehder/dpa
Rumble in the Jungle: Ali besiegt den damals schier übermächtigen George Foreman. © Imago
München – Oktober 2005, freundliche Mail einer Werbeagentur: Ob man nicht mal zum Flughafen München ins Hotel rauskommen wolle, zur Vorführung eines Grills. Als Sportredakteur? Ja, die Einladung war kein Irrläufer, denn der Mann, der angekündigt war, sich die Schürze umzubinden und mit Zutaten und Zangen zu hantieren, war wohlbekannt aus der Welt des Sports: George Foreman, der ehemalige Boxer. Es bestünde auch die Möglichkeit eines Interviews.
Nun ist George Foreman gestorben, 76 Jahre wurde er alt. Die Nachricht stimmt traurig, aber wenn man hört, er sei friedlich eingeschlafen im Kreis der Familie, dann freut man sich doch, dass einer sein Leben so gut hingekriegt hat. Danach sah es auch schon vor zwanzig Jahren in München aus, als Foreman für seinen Grill warb, der in Amerika ein Riesenverkaufsschlager war und nun auch Europa erobern sollte. Im Gespräch mit ihm ging es schnell weg von der Essenszubereitung und zum Thema Boxen. Das war damals sehr groß in Deutschland, vor allem dank der Klitschkos, die das Land adoptiert hatte – und George Foreman selbst war natürlich eine Weltnummer gewesen.
1968 war er Olympiasieger im Schwergewicht geworden – und stand in einer illustren Reihe mit Muhammad Ali (noch als Cassius Clay, 1960) und Joe Frazier (1964). Seinen Vorgängern begegnete er in der Profikarriere wieder – und es wurden Kämpfe, die das High und Low seiner Karriere markierten. Auf Frazier traf er erstmals 1973, in Kingston, Jamaika. Dreimal in der ersten und zweimal in der zweiten Runde schlug er Frazier zu Boden, das war’s. Foreman war der schlagstärkste Mann in der Geschichte des Boxens, in 81 Kämpfen sammelte er lediglich 349 Runden, was schon zeigt: Er kam schnell zur Entscheidung. Seine K.o.-Quote betrug 89 Prozent. Man befürchtete, Foreman, der ehemalige Straßenschläger aus Houston. Texas, könnte im Ring töten, er selber fürchtete das, vor allem fürchtete man um Muhammad Ali.
Der Fight fand am 30. Oktober 1974 in Kinshasa im damaligen Zaire statt. Alis Karriere hatte da schon an Glanz verloren, seine Kämpfe mit Joe Frazier waren beiderseitige Nahtod-Erfahrungen gewesen. Es bot sich der Quervergleich an: Wie sollte Muhammad Ali bestehen können gegen die Maschine Foreman, die Frazier zerstört hatte? Doch dem „Größten“ gelang ein taktisches Meisterstück. „Rope-a-dope“ nannte man es: Ali hängte sich in die Seile des Rings ein, trafen ihn Schläge, konnte er nicht fallen. Aus seiner Schutzposition heraus setzte er Konter – und traf Foreman. K.o. in der achten Runde im „Rumble in the Jungle“. George Foreman war entzaubert, der Titel der WBC verloren. Foreman boxte noch zweieinhalb Jahre weiter, verprügelte erneut Joe Frazier – doch hatte keinen rechten Antrieb mehr. Er hörte auf.
Und fing wieder an. Das ist Teil zwei seiner Geschichte. Das Comeback, das 1987 begann. Aus dem Athleten mit dem Wuschelkopf war ein kahler älterer Herr geworden, der zugelegt hatte. Aber das Boxen beherrschte er nach wie vor. In dreieinhalb Jahren bestritt er 25 Kämpfe, eine irrsinnig hohe Frequenz. 1991 bekam er eine WM-Chance und verlor gegen den aufstrebenden Evander Holyfield nach Punkten. 1993 der nächste Versuch gegen Tommy Morrison – wieder scheiterte Foreman. 1994 knockte er Michael Moorer aus und war am Ziel: Weltmeister mit 46, der älteste, den es je gab.
1995 trat er in Las Vegas gegen Axel Schulz an, zu einer freiwilligen Titelverteidigung. Der deutsche Box-Matchmaker Jean-Marcel Nartz erzählte einmal, wie es zu diesem Kampf kam. Das Foreman-Management wollte einen ungefährlichen Gegner, der aber nicht umfallen, sondern stehen bleiben würde. Eine Schmiergeld-Zahlung über 100.000 Dollar und die begünstigende Tatsache, dass es in Amerika seinerzeit eine Fernseh-Comedyserie mit einem sympathisch-trotteligen General Schulz gab, führten zu dieser Ansetzung, die sich aus den Ranglistenpositionen niemals ergeben hätte. Foreman hatte dann alle Mühe mit dem Deutschen, das Punkturteil zugunsten des Champions war gnädig. Verlierer Axel Schulz war der eigentliche Sieger, denn für ihn begann eine Karriere als Sport-Celebrity in der Heimat. Er war kein guter Boxer, aber wurde zur Marke.
Und das war auch Foremans weiterer Weg. Er war keiner, der Boxer, die ihr Vermögen verprassten. Mit seinen Grills wurde er zum Geschäftsmann und zum Entertainer. Ihm war bewusst, dass man irgendwann dem Boxen entkommen muss. Seine fünf Söhne nannte er allesamt George, „dann kann es mir nicht passieren, dass ich sie durcheinanderbringe“. Er wusste, was sein Sport an kognitiven Spätschäden anrichten konnte.
George Foreman war ein sanftmütiger Mensch, er pflegte Freundschaften mit denen, die er einst verdroschen hatte. Er wurde religiös, er predigte, er hatte das Beste aus dem Leben gemacht.
München 2005. Nach dem Interview ein herzlicher Händedruck. Und er überreichte noch ein Büchlein. Handsigniert. Die besten Rezepte für den George-Foreman-Grill.
GÜNTER KLEIN